Sonntag, 1. Juli 2012

Reflexiones.

Bis heute Morgen war dieser Tag irgendwie immer noch recht weit weg, aber dann war er auf einmal doch da. Ich bin mitten in der Heimreise, zwischen Caracas und Frankfurt, und es ist wohl Zeit, ein bisschen zurück und ein bisschen nach vorn zu schauen. Ich bin sehr zufrieden, mit dem was ich gemacht habe. Die Ania-Arbeit war bestimmt bisher die am sinnvollsten verbrachte Zeit meines jungen Lebens. Währenddessen, und auch beim Reisen, hab ich ganz viel gelernt und bin daran schön gewachsen.

Das Geheimrezept für die umfassende und ganzheitlich nachhaltige Entwicklung ist mir zwar immer noch nicht eingefallen, aber ich hab ein paar neue Ideen dazu. Und immer noch bin ich überzeugt davon, dass Bildung der richtige Zugang ist, die Menschen und die Welt besser zu machen. Die Peruaner, die rumpöbeln, Müll auf die Straße werfen oder lethargisch auf Hilfe von außen warten, tun das ja nicht (immer :p) aus Dummheit oder Böswilligkeit, sondern weils ihnen niemand anders gezeigt hat. Machismo, Stillstand und Umweltschweinereien sind zwar in unserer Zeit und in meinen Augen schon obsolet, aber man muss Peru einfach zugestehen, dass es noch garnicht so lange her ist, als die Leute noch ganz, ganz andere Probleme hatten, als nachhaltige Entwicklung. Ja, ich muss eingestehen, dass es sehr schwer sein muss, zu recyceln, wenn man nicht weiß ob in der Mülltonne vielleicht ein Senderista sitzt, um mit Bomben zu werfen. Und wenn es erst keine Recyclingtonne gibt, gar noch schwieriger.
Aber jetzt gibt es welche, und sogar in San Pedro, und jetzt fehlt es einfach nur noch, dass man ihnen persistent und liebevoll erklärt, welcher Müll in welche Tonne gehört, und das ist ja, dank der durchaus schlüssigen Farbcodierung, garnicht so schwer.

Und meine Person? Tatsächlich bin ich glaube ich durchaus gelassener und unabhängiger geworden, und trotz der immer auch mal wieder gescheiterten Sozialbeziehungen (Frauen und Männer können in Peru einfach noch keine Freunde sein), mutiger und offener. An ALLEM kann man ja IMMER noch ein bisschen arbeiten, aber ich bin für den Moment ganz zufrieden. Neben jeder Menge Umweltbildung und Reise-Know-How habe ich außerdem gelernt, nur mit einer Nagelschere bewaffnet einen halbwegs akzeptablen Stufenschnitt in meine Haare zu zaubern, dass Parasiten eine sehr effektive Abnehmkur sind, dass man Bücher besser aus Deutschland mitbringt, denn die literarirische Situation ist hier wahrlich prekär, und dass die Welt tatsächlich nur ganz schwer zum Untergang zu bewegen ist.
Ich habe vielleicht noch nicht das absolut sichere Glücksrezept gefunden, aber ich habe einige neue Ideen dafür. Habe Verzicht und Freiheit gelebt, zwischen Staub und jeder Menge kleiner Tierchen, und das ein oder andere Abenteuer, von dem man den Enkeln mal erzählen kann. Habe mit viel gutem Willen einen Latino geliebt und es immerhin fertiggebracht, dass wir im Guten auseinandergehen.

Ich bin traurig, zu gehen - mit sehr viel Wehmut betrachte ich aus der Luft die majestätische Sierra und denke "Peru, du bist so schön" - aber natürlich freu ich mich auch auf zu Hause. Es gibt leider noch immer keinen Plan für die fernere Zukunft, aber in den nächsten Tagen wird es nötig sein, sehr viel Leitungswasser zu trinken ohne Bauchweh zu kriegen, Schwarzwälder Torte mit echten Kirschen zu essen und infolgedessen 5 Kilo zuzunehmen, in dem ein oder anderen sauberen See zu baden, Salsa tanzen zu gehen ohne sich allzu gringa zu fühlen, meine eigenen Saxophone zu spielen, ganz viele Leute zu knuddeln und trotzdem einige Pisco Sours, mindestens einmal Locro und vielleicht ein paar Chocotejas zuzubereiten.

Bleibt nur noch, Danke zu sagen. Danke Mama und Papa, fürs mich-schließlich-doch-verstehen, danke Chris und Kadi, fürs mich-besuchen, danke liebe Oma und lieber anonymer Teil vom Spenderkreise, fürs Spenderkreis-sein, danke alle, mich-nicht-vergessen-und-trotz-lahmer-Verbindungen-Kontakt-halten, danke weltwärts für den Zuschuss, danke Carmen, Gilbert und Marieta fürs Eltern-sein und all das leckere Essen, Mili fürs zusammen-schimpfen-können, Manuel für jede Menge Unfug und ein wenig Ernst, danke Stefania fürs Bäumepflanzen und Weitermachen, danke Ninyos fürs mich-in-den-Wahnsinn-treiben-und-zum-lachen-bringen, und danke Lucho, für das gleiche, fürs lernen-wollen y por todo el cariño tan valioso.

Und nach dieser Orgie an Bindestrichen schließt dieses Aventura und dieser Blog. Pass auch du auf dich auf, Peru. Wer weiß, wann wir uns wiedersehen.

Mittwoch, 27. Juni 2012

La experiencia cafetera.

Popayan ist klein, kolonial, sauber und als ich ankomme, sogar autofrei. Die Kolumbianier sind naemlich tatsaechlich Radfahrer und geniessen es, gelegentlich Strassen zu sperren, um die Busfahrer zu aergern und dem Radln zu froenen. Ich freue mich zuerst ueber Muelltrennung und Recyclingklopapier im Hostel (in Kolumbien sind sie da verhaeltnismaessig weit - spaeter soll ich sogar noch wiederverwendbare Gepaeckscheine kennenlernen!), schlendere eine Weile durch die weissgetuenchten Gassen und lege mich einbisschen bei der ueberdimensionierten roten Backsteinbruecke ins Gras, bis der Regen einsetzt (das ist im Caucatal nachmittags so). Abends treffe ich Alicia, die mich im Bus von Cali kennengelernt und gleich in ihr Haus eingeladen hat, und wir verbringen einen sehr lieben Abend, zusammen mit ihrer Tochter Tatjana und einer leckeren Trucha.

Leider laesst mein Plan nicht zu, laenger zu verweilen, die Zona cafetera ruft mich. Salento ist ca. 3 Kilometer lang und 2 Kilometer breit, und wenn pittoresk einen SUperlativ hat, dann ist dieses Staedtchen das pittoreskeste seiner Art. Jedes Haus, ganz im Antioquischen Stil, hat Tueren und Balkone in einer anderen Farbe, an der Plaza Mayor warten lustige alte Jeeps, die "Willy" heissen, und die Gehwege haben Blumenmuster eingeritzt. Aussenrum ist alles satt gruenes Tal mit idyllisch vor sich hinbrausendem Fluss. Ich befreunde mich mit zwei Steiermarkern und bewandere mich mit ihnen das schoene Cocora-Tal, beruehmt fuer die langen Wachspalmen, die einzeln aus den gruenen Wiesen spriessen, und das bis 60 Meter lang. Der Weg geht zuerst ueber besagte Weiden und fuehrt dann in dichten Nebelwald, in dem mehrere lustig wackelnde Bruecken ueber den Quindia zu ueberqueren sind. Ueberlebt man dies unbeschadet, darf man im kleinen privaten Naturreservat Acaime die vielen Kolibris bestaunen und richtig gute Schokolade trinken. Abends bin ich (wohl durch die Jugend meiner beiden Begleiter inspiriert) immer noch fit genug, mit den Jungs Tejo spielen zu gehen - mit Bleischeiben auf Pulverdreiecke werfen, wenns explodiert gibts Punkte. Das ist ein bisschen schwierig, und nach einer Weile probieren wir lieber noch Sapo - mit Muenzen auf Metallene Froesche werfen, wenns explodiert wird Aguardiente getrunken. Das koennen wir besser, und der Abend wird noch sehr lustig. Am naechsten Tag schleppen wir uns folgenschwer und entsprechend langsam zur Kaffeefarm des Sonnenuntergangs (El Ocaso), und begehen unterwegs noch den schweren Fehler, dem Aguardiente ein grosses Glas saure Ananas-Chicha hinterherzukippen. Aber, wir kommen an, und ein lustiger kleiner Mann mit Hut und Schnauzer, ganz wie in der Werbung, erklaert uns den Kaffee. Und schliesslich fuert mich mein Weg noch zu den magisch schoenen Santa-Rita-Wasserfaellen, diesmal zu Pferde. Den Muskelkater ist es wert, denn der Weg ist herrlich, ueber Stoecke und Steine und Fluesse und Wiesen und durch Tunnels an Tausenden von Schmetterlingen vorbei.

Meine letzte Station ist die Oekooekofince von Pedro und seiner Familie, 2 Stunden zu Fuss von Salento, versteckt am Ende der Welt und nur durch Mundpropaganda zu finden. Es ist ein wunderbarer Ort, und ich habe selten so ruhige und zufriedene Menschen wie Pedro, Mar, Nita und Sarah getroffen. Pedro hat konventionelle Landwirtschaft studiert, weil seine Eltern dachten, das sei gut fuer ihn und er wuerde damit ein ganz grosser Mann werden. Aber er wollte nicht hoeren, dass man ueber viele Kilometer die gleiche Pflanze anbaut und immer die neuesten Umweltgifte kaufen muss - und lebt heute in seinem selbstgebauten Haus inmitten eines selbsternannten Naturreservats, das mit seiner Hilfe von Rinderweide wieder zu Urwald wird. Dazwischen wachsen sehr vereinzelt ein paar Kaffeepflanzen, von denen der leckere Oekooekokaffee verkauft wird (und es ist tatsaechlich moeglich, den ganzen Prozess am gleichen Ort durchzufueren - kein einziger Zwischenhaendler!). Ausserdem gibt es ein paar Bananen, Avokadobaeume, diverses Obst, ein paar Getreideversuche und zwei Rasenmaeherziegen, die das invasive Monsantogras fressen sollen, einen wuscheligen Hund und ein kleines scheues Pferd. Das alles macht offenbar nicht allzu viel Arbeit, denn es ist sehr viel Zeit, vom offenen Wohnzimmer aus Berge und Voegel zu bestaunen, in der vielfaeltigen Buechersammlung zu schmoekern (es gibt Momo in 3 Sprachen!), seltene Baeume zu pflanzen, Knuepftechniken auszutauschen, mir den Kaffeeprozess zu erklaeren und vom Leben zu schwaermen. Abends gibt es spektakulaeren Sonnenuntergang statt Fernseher, und danach ist es dunkel - fuer 10 Stunden. Dabei geht alles so ruhig und harmonisch zu, dass man es kaum fuer moeglich haelt. Irgendwann, erzaehlt Pedro, haben sie eben das "immer mehr!-Prinzip hinter sich gelassen, und laben jetyt die "genug"-Idee. Ich merke, wie ich staendig mit einem besonnenen, zufriedenen Laecheln im Gesicht herumlaufe. Das ist so wie jeden Tag Sonntag.

Es ist danach ein bisschen seltsam, zurueck im elektrifizierten, motorisierten Leben zu sein. Allerdings Bogotá ist grrross, aber irgendwie sympathisch, Da gibt es Boulevards mit Wasserspielen und Palmen, bunte, schoene Graffitis statt grauer Mauern, einen winzigen uralten Stadtkern der auch so aussieht, eine Seilbahn auf den Cerro Monserrate, von wo man die verrueckte Ausdehnung der Stadt, aber auch das satte, in Frieden gelassene Gruen dahinter begutachten kann, jede Menge Buchlaeden und nette kleine Quinoa-Restaurants. Couchsurfer Ivan, Bogotariano, leistet mir den ganzen Tag Gesellschaft, zeigt mir die immense, moderne Privatuni, die voll mit Macs steht und auf dem Dach tolle Aussicht hat, und nachmittzusammen suchen wir die bogotarianische Kultur, aber die hat leider Dienstags zu. Ich bringe ihm dafuer meine deutschen Lieblingswoerter bei, und wir trinken einen letzten Tinto (das ist hir Kaffee, nicht Wein, was mich erst stutzen laesst) ueber den Daechern der Stadt. Cuidate, Kolumbien, bis zum naechsten Mal.





Montag, 18. Juni 2012

En los dedos de mis pies crecen hongos de colores.

Eigentlich wollte ich nur ein paar Tage bleiben, und doch verbringe ich am Ende ueber eine Woche bei den etwas abgehobenen, aber sehr liebevollen Oekos in der Ecoaldea Atlàntida. Wer haette gedacht, dass mitten in Suedamerika ein solches Experiment des friedlichen Zusammenlebens von Menschen und Natur funktioniert - und ich bin sehr gluecklich darueber, nach einem sehr schoenen Aufenthalt voll stiller Kontemplation, spirituellen Wachstums, Bloedeleien mit den anderen Hippiemaedls, koerperlicher Arbeit und Studium der Permakultur.


Als ich nach der durchtanzten Nacht in Cali in der Comunidad im bildschoenen Caucatal ankomme, werde ich gleich ins Temascal eingeladen, einem Schwitzhuettenritual indianischer Tradition, bei dem circa 4 Stunden lang gesungen, Mutter Erde, Vater Himmel und Grossvater Feuer gehuldigt und - naja, eben geschwitzt wird. Noch am selben Abend werde ich Freundin von Dala, die auch gerade zu Besuch ist, und Tami, die seit 5 Jahren in Atlàntida lebt. Zusammen werden im Lauf der Tage dann Regenwassertanks geschrubbt, organisch und vegetarische Mahlzeiten in der grossen Gemeinschaftskueche zubereitet (darunter 218 Arepas, columbianische Maisfladen und Saft aus bestimmt 100 haendisch ausgepressten Orangen), ein aerober Kompost gebaut, Baeumchen gepflanzt und Orchideen gerettet. Ausserdem wird mit der schoenen Helena afrikanisch und orientalisch getanzt und in Zen und Yoga meditiert. Ansonsten finde ich ein heisses Buch ueber Permakultur in der Bibliothek, dem ich mich hemmungslos hingebe, und zwischen all dem findet sich auch immer einer der lieben Mitbewohner aus den farbenfrohen Huetten der Comunidad, mit dem man Schokoklade mit Kaese trinken kann. Morgens baden wir uns in einem nahen, eiskalten Wasserfall zwischen hundert bunten Schmetterlingen, lassen uns nackt von der Sonne trocknen und abends sitzen wir mit dem staendig Grasrauchenden Chris am Lagerfeuer, und alles ist harmonische Stille mit leisem Grillenzirpen, sanfter Rausch, sternklarer Himmel und funkelnde Gluehwuermchen. Schliesslich nehme ich auch am Ayahuascaritual teil, bei dem eine ganze Nacht gesungen, gebetet und Yahè, uebelschmeckender Lianensaft getrunken wird, was mir allerdings hauptsaechlich bitteres Erbrechen und relativ wenig Erleuchtung und Antworten bringt (Mono, der Schamane und seine compañera Yami allerdings bewundern meine beeindruckende, starke Aura waehrend der Zeremonie). Tami versucht es am naechsten Tag noch mit indianischen Totemtierkarten, auch nicht sonderlich aufschlussreich, aber sehr huebsch. Ich verlasse die Atlantiden nach schwerem Abschied mit Dala gen Popayan, zufrieden, klueger und der Pachamama noch ein kleines Stueck naeher.

Samstag, 9. Juni 2012

La princesa del occidente.

Die letzten Tage in Galapagos waren noch perfekte Ferien - Radtour zu einem Aussichtspunkt ueber einem geheimnisvollen RIesenkrater und einem weissen Strand, wo mich Lenins lustige Freunde zu leckeren Linsen und Tamarindensaft einluden, Vollendung der TiNi mit Monica, Sebas und Elkin, die mich garnicht gehen lassen wollten, Schnorcheln mit Haien in Tortuga Bay und eine schoene Abschiedsfeier mit den Anialeuten.

Dann den Rucksack wieder auf den Ruecken, zurueck ins Backpackerleben. Verbringe einen sehr netten Abend mit ein paar Amimaedls mit Oekoessen im Kalaricafè, das ich noch von meinem letzten Besuch kenne und ein bisschen Salsa, aber nur ein bisschen, denn morgens geht es bald gen Kolumbien. Ecuador zu verlassen stellt sich als schwieriger heraus als Kolumbien zu betreten, weil mal wieder das lustige Registriersystem der Ecuadorianer kaputtgeht, aber ich finde ein paar nette Australier in der Warteschlange, mit denen ich dann auch weiter nach Cali reise, dem Paradies fuer Salsataenzer.

Jetzt bin ich schon gut 24 Stunden in Kolumbien, habe vom Bus aus ein paar Militaers mit gruseligen Gewehren gesehen, aber noch keinen einzigen Drogenhaendler. Allerdings hab ich gehoert, dass die auch nicht so auffaellige Uniformen tragen. Falls ich doch noch einen finde.. Bestellungen bitte per private message :D Jedenfalls fuehlt es sich kaum gefaehrlich an, und ich gewohne mich schon langsam ans alleine reisen, denn ich muss zugeben, dass ichs zuerst in Ecuador schon ein bisschen anstrengend fand, blond und weiss und ohne Latino, der sein Territorium verteidigt, durch die Strassen zu laufen. Man kann noch so verwuschelt und ranzig morgens aus dem Bus steigen - die Kerls denken immer noch, frau sei eine waschechte Prinzessin aus dem Abendland. Ich habe beschlossen, das witzig zu finden...  ausserdem hat mir neulich ein Typ im Bus erklaert, dass die Gringofrauen ueberhaupt nur kommen, um die Lations zu voegeln. Ich war so frei, mich davon auszunehmen. Und hab mir von den Amimaedels diesen gewissen "Yes, I`m a woman solo traveller - and a tough one" - Spirit abgeschaut. Ich weiss jetzt ziemlich gut, wie Flughaefen, Taxis und Busterminals funktionieren, tu mich gelegentlich mit anderen Gringos zusammen und hatte bisher tatsaechlich immer ein ganz gutes Gespuer dafuer, wem man trauen kann und wem nicht, bzw. bis zu welchem Punkt. Ansonsten bin ich meist ganz zufrieden allein und lerne, mir selbst zu genuegen. Und so einfach ist das auch garnicht mit dem Alleinesein. Auf zwei Stunden Spaziergang im Zentrum hab ich zwei Optionen fuer Salsaverabredungen heute Abend klargemacht... viva la fiesta!

Montag, 4. Juni 2012

Bellavista.

Alles ruhig in Galapagos. Ich wohne jetzt seit einer Woche in Javis kleinem Haus, das er sich am Rand von Bellavista im oberen Teil der Insel aus Ruinen aufgebaut hat, inmitten von Bananen und Feigen und seinem selbstangelegten Biogarten. Der Nachbarshund Lucy besucht mich regelmaessig, aber sonst hab ich so ziemlich alles fuer mich, weil Javi bis spaet arbeitet, und es ist gut mal wieder selbststaendig zu sein und selber kochen zu duerfen. Wenn ich mich einsam fuehle, geh ich mit Ania hoch in den Ort und spiele mit den Kindern dort, und Bellavista hat jetzt eine erste TiNi, ganz wunderschoen mit Orchideen, Gemuese und nativen Pflanzen, ganz wie es sein soll. Die Kids sind viel einfacher zu handeln als in San Pedro, es ist ganz unglaublich, wie motiviert und wohlerzogen die sind, sie warten immer schon sehnsuechtig auf meine Besuche, und als ich sagte, dass ich am Donnerstag wegfliege haben sie heftig protestiert und vorgeschlagen, dass ich doch fuer immer hierbleiben koennte.
Inzwischen hab ich auch die anderen Leute im Projekt kennengelernt, ein bisschen Knowledge Transfer betrieben und von meinen Erfahrungen berichtet, und bei der konzeptuellen Arbeit fuer das Projekt geholfen. Mir scheint, dass Galapagos viel weiter entwickelt ist als der Kontinent, was Umweltbewusstsein angeht, wohl durch die internationale Aufmerksamkeit, die auf den Inseln ruht, aber das liegt moeglicherweise an der Ziehung von Menschen, die ich kennengelernt habe.. dieselben sagen mir, dass trotzdem noch viel zu tun ist. Fuer mich aber ist es sehr erfrischend, in dieser Enklave den Fortschritt zu sehen :)

Ausserdem war noch ein bisschen Zeit, finstere Lavatunnels anzugucken, das war ziemlich abenteuerlich weil reichlich dunkel und mystisch wie, sagen wir, die Minen von Moria, um rauszukommen in gruenbuntem Tropengestruepp. Durch selbiges gab es ausserdem eine schoene Fahrradtour mit den Anialeuten, auf der uns jede Menge Roadkills, jedoch keine Tortugas begegneten. Aber die Aussicht war sehr huebsch und mal wieder ein Fahrrad zu haben, einfach grossartig :)

Samstag, 26. Mai 2012

Galapagos contra el Destino.


Die letzten Tage in San Pedro waren noch besonders schoen, so als wuerde es mir zu verstehen geben wollen, dass ich noch ein bisschen bleiben sollte. Es gab staendig liebe Abrazos von allen Seiten und jede Menge Fiesta, erst TiNi-Geburtstag im Bosque mit Spielen, leckerer Chicha von Carmen und Schokoladentore auf den frisch genesenen Magen. Am letzten Tag dann grosses Nudelessen mit Reden, wieder Abrazos und Baendchentauschen, und alles war sehr, sehr traurig. Zum Trost durfte ich am naechsten Tag in Ica beim Pflanzen von 740 Huarangos helfen. Damit duerfte der Rueckflug wohl kompensiert sein. Dann sollte es, nachdem endlich, endlich meine neue Kreditkarte in Lima angekommen war, eigentlich zuegig nach Galapagos gehen, aber durch verschiedene widrige Umstaende sollte es noch weitere 5 Tage dauern, bis ich endlich eine funktionierende Karte in den Haenden hielt. Ich vertrieb mir die Zeit mit Marieta, Luchos Mama, um heftig auf die Latinomaenner zu schiempfen, und Mili, die mich zu einer piscoschweren Abschiedsnacht in der ohrenbetaeubenden "Who" ueberredete. In Lima dann war es nicht schwer, die Zeit rumzubringen, weil wie immer fuer jeden Weg Stuuunden draufgehen, in denen man sich ausserdem fein die Lungen vergiftet, aber ich darf mich inzwischen doch wohl als Fortgeschrittene im Mikrobusfahren bezeichen.

Und, oh Wunder, am Mittwoch sass ich im Bus nach Guayaquil, am Donnerstag in einem ueberteuerten Hotelzimmer in eben dieser (nicht sehr anschaulichen) Stadt und am Freitag im Flieger nach Galapagos. Und moeglicherweise sind die Inseln die 110 Dollar Eintritt werd. Alles ist sehr relaxt und ich fuehl mich nach wenigen Stunden hier schon ziemlich erholt nach all dem Kampf gegen das Schicksal, dass mich Peru nicht verlassen lassen wollte. Mein Freund Javi, der die TiNis nach Galapagos geholt hat und mich eingeladen hat, arbeitet gerade in einem anderem Projekt und hat mich erstmal bei seinem ziemlich relaxten Freund David und dessen Familie untergebracht, die in einem wunderschoenen selbstgebauten Haus inmitten sehr weichen Grases wohnen. Die Dusche ist draussen und nur sehr notduerftig mit einem Vorhang blickgeschuetzt, und mein Bett ist in einem Erker in der Kueche, in den morgens von allen Seiten die Sonne scheint. David ist ziemlich relaxt und redet ein bisschen langsam, weil er Zeit hat, sagt er, an den Schildkroeten sollten wir uns ein Beispiel nehmen, trotzdem hat er ziemlich viel Ahnung und arbeitet in einer Oekokaffeeplantage und an einem Fahrradkurierprojekt. Sein wunderschoener Bruder Diego macht die ganze Zeit Handstand und anderen Unfug und hat auch grad Gaeste da, und alle sind willkommen und sollen sich wie zuhause fuehlen. Es gibt Muelltrennung und ein paar Baumbabys, einige Gitarren, eine Mundharmonika und ein Tenorsaxophon, und gesternabend haben wir tatsaechlich ein bisschen gejammt.

David hat mich ausserdem zu ein paar sehr feinen kleinen Straenden gefuehrt, wo Magroven stehen (es gibt sie wirklich! Baeume die Salzwasser trinken!) und Leguane vorbeischwimmen (Leguane koennen schwimmen!) und perfekt weisser Sand auf perfekt tuerkises Wasser und perfekt schwarze Lavabrocken trifft. Ein Stueck weiter wohnt Lonesome George, die letzte Riesenschildkroete der Inseldynastie von San Cristobal, in der Riesenschildkroetenaufzuchtstation. Wie alle seine Artgenossen ist er ziemlcih relaxt und bewegt sich nur in Zeitlupe. Klar, wenn man 170 Jahre Zeit zum Leben hat...
Und dann war ich noch in den Grietas, einer Art Galapagosfjord, wo junge Huepfer an den Vulkangesteinwaenden hochklettern und hinunterspringen. Wenn man von den laermigen Turis ein bisschen wegschwimmt kommt man an einen grossen glatten Felsen und dahinter ist noch eine Grieta, aber die ist ganz verlassen und es sieht aus wie in einem Tomb-Raider-Computerspiel. Mit Lenin, einem frisch kennengelernten Galapagueño, der mir seine Taucherbrille leiht, traue ich mich auch noch ein Stueck weiter und lerne ausserdem noch jede Menge riesige Fische und eine kleine Moraene kennen. Relaxt.

Freitag, 11. Mai 2012

Pueblo de Bulla.

San Pedro ist ja schon ein bisschen wie Bullerbü. In San Jacinto ist aus dem nichts ein Junge aufgetaucht, der sieht aus wie Lasse. Und wenn die Lehrerin krank wird, kommen die Kinder mit selbstgepflueckten Blumen ans Krankenbett und wuenschen sich, dass sie bald wieder gesund werden moege. Habe mir die Freiheit genommen, mich nach der ueberstandenen Erkaeltung einen Tag mit Magenkraempfen ins Bett zu legen. Süß auch Carmens Fuersorge und allseitige Spekulationen, woher die Beschwerden kommen. Favorit eindeutig die Kuhmilch, gleich nach der Mango, die ich am Vortag verzehrt hatte, dabei ist beides das leckerste seiner Art, was ich auf der ganzen Welt probiert habe.

Wenn ich nicht mit Kranksein beschaeftigt bin, fröne ich der jetzt wirklich vollkommen freiwilligen Arbeit mit den Kids und warte auf meine neue Kreditkarte. Als neues Projekt haben wir die Tienda de Ninyos angefangen, den Kinderladen. Nachdem die Kinder alle Materialen, die man ihnen kauft, hemmungslos verquasen, sollen sie sich die jetzt verdienen muessen. Ich habe jede Menge Samen durchloechert, die die Kinder zu huebschen Armbaendchen gemacht haben, aus ein paar Metern geschenktem Stoff und einer alten Hose von mir hab ich Taschen genaeht (ich liebe Carmens Naehmaschine), die die Kinder mit einem großen Aniastempel und dem Slogen "Planeta sin Plastico" bedruckt haben, und aus dem herumliegenden Espino, an dem sich die Kinder in der Tini stechen, haben wir voellig oekologische Zahnstocher gemacht. Ich habe mit Carmen verhandelt, und sie wird einen Teil ihres Ladens als Ecotienda zur Verfuegung stellen. Außerdem gibt sie jetzt auch keine Plastiktueten mehr aus, und statt dem Wegwerfgeschirr, in dem sie samstags Chanfaina verkauft, hat sie bunte Tupperschuesseln gekauft. Ich bin stolz auf meine liebe Mamá peruana, und auch ein bisschen auf mich, weil sich doch auch ganz ohne intensive Bildungsarbeit durch das bloße Zusammenleben mit mir mein Umfeld ein kleines bisschen umweltfreundlicher macht.