Mittwoch, 28. September 2011

Llegar.

Lima: Chaotisch. Laut. Abgase, die im Kopf schmerzen. Aber: sehr lieber Empfang durch Stefania, die Coordinadora der Tierra de Ninyos von San Pedro. Wir fahren im Taxi vom Flughafen im Stadtteil Callao nach La Molina, ewig, Lima ist riesig. Ich warte die ganze Zeit darauf, dass das hässliche Vorortchaos aus halbfertigen Wohnhäusern, provisorisch wirkenden Geschäften und vierspuriger Zubringerstraße sich lichtet, aber das passiert nicht. Lima ist überall so.
Später führt mich Stefania etwas herum und zeigt mir die Sights in Miraflores, ein im Verhältnis zur Größe der Stadt winziger Park mit einer Ausstellung von Papp-Dinos und Inkamarkt, die Municipalidad in einem halbwegs hübschen, dottergelben Gebäude mit Türmchen und eine Kirche, in deren Garten sich immerhin unzählige süße Kätzchen tummeln. Das gigantische Marriotthotel und das Einkaufsszentrum mit Blick auf den Pazifik, das hübsch wäre, wenn es kein Einkaufszentrum wäre. Wirklich sehenswert: die vielen VWs, Käfer und Bullis, unzählige, und ich erblasse vor Neid, als Stefania behauptet, dass man die hier für bloß 400 Dollar in die Tasche stecken kann. Wir hingegen fahren mit Microbussen - halsbrecherische Menschentransporte mit viel Gehupe und einem Jungspund an der offenen Tür, der den Passanten die Fahrtroute zuschreit. Sehr aufregend, wie Oktoberfestfahrgeschäftefahren, nur kostet der Spaß hier nur einen Nuevo Sol, ein viertel Euro.

Ich bin nicht sehr traurig, dass wir am nächsten Morgen früh gen San Pedro aufbrechen. In einem sehr sauberen und modernen Bus geht es auf der Panamericana nach Ica. Hinter Lima vereinzelt Favelas, sandige, kahle Berge und vieeel Müll. Die Berge immerhin, erklärt mir Stefania, sind natürlicherweise so kahl, weil es wenig Wasser gibt und der Bode zu salzig ist für Vegetation. Nicht wie anderso, wo durch Kahlschlag die Bodenerosion alle Nährstoffe mitnimmt.
Als wir uns Ica nähern, wird es hübscher, der Himmel klart auf und der Sonnenschein taucht den Sand in ein wesentlich besseres Licht. Erst vereinzelt, dann in großen Plantagen sieht man jetzt Pflanzen auf dem tröpfchenbewässerten Boden, Spargel, Baumwolle, Artischocken, alles für den Export.

Ica: nur halb so laut wie Lima und irgendwie sypathischer, nicht so bedrohlich. Allerdings falle ich hier wesentlich mehr auf, unter den Limenyos sind doch einige mit europäischem Aussehen. Fühle mich trotzdem ganz wohl, mit Stefania an der Seite sowieso.
In Ica holt uns gleich ein ein befreundeter Taxifahrer ab und bringt uns nach San Pedro, damit ich noch heute die Ninyos kennenlernen kann. San Pedro ist nicht weit von Ica, fünf Kilometer masomenos, aber über die Sandpiste mit den vielen baches, den Schlaglöchern, brauchen wir doch eine Weile. Die Ninyos empfangen mich sehr liebenswert und sind furchtbar neugierig. Ich werde von allen gleichzeitig sofort umarmt und auf die Wangen geküsst. Große dunkle Augen schauen mich neugierig an, als ich mich vorstelle.Es wird mir zugesichert, dass ich hier wie ein Tesoro, ein Schatz behandelt werden soll, wie eine Princesa, und dann wird festgestellt, dass ich wie eine rothaarige Barbie aussehe. Dann wird mir die TiNi, die Tierra de Ninyos gezeigt, jedes Kind hat hier sein eigenes Beet. Die sind großartig, mit riesigen bunten Blumen, deren spanische Namen ich nicht kenne, und es gibt ein großes Gemüsebeet mit Papas (Toffeln), Canya (Zuckerrohr), Remolacha (Roter Beete) Broccoli (Broccoli) und vielen anderen guten Dingen.
Hier wird es mir gefallen, seguramente.

Objetivos.

La gran Aventura beginnt. Sitze nach dem vielen traurig-schönen Abschiednehmen nun finalmente im Flieger nach Südamerika. Ein bisschen mulmig ist mir, es könnte ja soviel schiefgehen (und noch am Flughafen hab ich es fertiggebracht, Bordkarte und Reisepass beim Security Check zu verlieren), aber bei genauerer Betrachtung fallen mir nur ganz wenige Szenarien mit echtem Weltuntergangspotenzial ein, und es kann vor allem auch sehr viel sehr gut werden. Vorfreude schlägt Angst. Aber so richtig.

Peru ist für mich einfach der nächste schlüssige Schritt, zu mir selbst - einem unabhängigeren, erfahreneren und gelasseneren Selbst - zu mehr Öko, mehr Spanisch, mehr Südamerika und mehr ANIA. Wie oft hab ich von Regenwaldschutz und globalen Umweltproblemen gesprochen, ohne je dagewesen zu sein... Will doch mal sehen, ob Armut und Umweltschutz wirklich so schlecht zusammen gehen, wie die Skeptiker sagen. Ob es nicht doch vernünftige Modelle für eine umfassend und ganzheitlich nachhaltige Entwicklung gibt. Und ich will sehen, welche Rolle ich dabei spielen kann, ob ich so umfassend und ganzheitlich überhaupt schon denken kann. Will versuchen, ganz offen und mit möglichst wenig Illusionen hinzugehen. Dann wird sich schon alles fügen.