Sonntag, 25. Dezember 2011

Verde infinito y lluvias tropicales.

Tropical Rainstorm. Wir sitzen im Haus des Gastonkels, der passenderweise Abraham heisst, und koenen nicht raus, weil es wie wild regnet und stuermt und die Strassen sich ob der Ueberflutung in reine Matschpisten verwandelt haben, die einem die Flipflops ausziehen. Schoen, dass Abraham Internet hat, das ein bisschen funktioniert.

Die Tage im Regenwald gehen zu Ende, ueber Silvester will ich zurueck an die Kueste und am Strand ins neue Jahr feiern, bevor im Januar die Arbeit in San Pedro weitergeht. Ich hatte hier viel Spass und hab mich schoen erholt - wie angedeutet, ist das Leben in den Tropen durch die natuerlichen Widrigkeiten (immense Schwuele, die den Organismus laehmt und besagter Regen, der einem im Haus gefangenhält) schoen ruhig und langsam. Wir haben nur unwesentlich im Projekt weiterarbeiten koennen, weil auch der Weg zum hiesigen Bosque de Niños, der gerade im Entstehen ist, nicht geteert ist und es schon laengere Zeit trocken sein muss, damit er zugaenglich ist, und wir konnten nur einmal hinfahren. Dafuer haben wir aber gleich zwei Weihnachtsfeiern mit den Kids im Dorf gemacht, mit Chocolatada und Kuchen und Villancicos (Weihnachtslieder). Zwar ohne Geschenke, aber das find ich okay - in Peru ist es ueblich, dass reiche Leute oder Firmen an Weihnachten die Chocolatadas spendieren und haessliches Plastikspielzeug an die Kinder verteilen, aber meine Erfahrung in San Pedro hat gezeigt, dass 50% davon ohnehin nicht langer als zwanzig Minuten ueberlebt und die Niños sowieso nie zufrieden mit den Geschenken sind.

Obwohl wir nur begrenzt mobil waren, war der Aufenthalt unglaublich interessant. Erstmal war das, was ich vom Regenwald gesehen habe, ganz wunderbar, es ist wirklich so, dass man eintritt in ein unglaubliches und ohne Machete undurchdringbares Dickicht aus GRÜN. Ausser den Mosquitos kannte ich keine einzige der Millionen Arten. Lianen sind grossartige Spielgeraete und heruntergefallene Samen schoene Bastelgegenstaende. Was der Regenwald bereitwillig gibt, ist grenzenlos, wir haben im Boni frische Paranuesse und Ananas geerntet, in der Schreinerei eines Gastonkels wunderschoenes Kaobaholz bearbeitet, Karambolamarmelade gekocht und den leckersten Mangosaft ever getrunken. Der Dschungel beginnt gleich hinter dem Haus, aber auf der Fahrt hierher habe ich auch weite, garnicht mal haessliche Weideflaechen mit richtig huebschen weissen Rindern darauf gesehen, die dem Wald durch Kahlschlag oder Brandrodung abgerungen wurden. Das Boniprojekt soll dem Abhilfe schaffen, dass ein Grossteil der Kinder im Dorf die Vebidnung zur Natur vollkommen verloren haben und teilweise noch nie wirklich im Wald waren.

Lange Gespraeche mit der hiesigen Familie, in die ich auch sofort aufgenommen wurde, haben mich aber durchaus hoffnungsvoll gestimmt. Gastonkel Abraham, der im Holzbusiness taetig ist, arbeitet offenbar mit 3 verschiedenen Zertifizierungssystemen fuer sein Holz(das beruehmte FSC und zwei andere, die mir unbekannt waren), verkauft CO2-Emissionszertifikate und macht damit so viel Geld, dass er diese krasse Regenwaldvilla bauen kann, in der wir wohnen, Klimaanlage, europaeisch ausgestatteter Kueche, wunderbaren regional hergestellten Holzmoebeln und Lodgekomfort, den ich mir sonst niemals leisten wuerde. Bruder Javier und er koennen stundenlang von Naturschoenheit und nachhaltiger Forstwirtschaft sprechen, und trotz der verwegenen Bildungssituation im Regenwaldgebiet (bevor es den Interoceanic Highway gab, waren es mehrere Tagesreisen zur Uni in Puerto Maldonado) Goethe und Descartes zitieren.
Beide sind voellig begeistert von mir und Abraham wuerde mich am liebsten gleich hierbehalten, um mich in seinen Oekotourismus- und Bildungsprojekten anzustellen (ich bin offenbar erst die vierte Person mit Universitätsabschluss, die in Iñapari aufkreuzt). Aber das muss ich mir doch genau ueberlegen, so viel Begeisterung ist auch ein bisschen creepy. Und alle Ueberzeugung hat Grenzen - wenn ich hoeflich darauf hinweise, dass man noch viel mehr Emissionszertifikate verkaufen koennte, wenn man den Rechner nicht die ganze Nacht laufen laesst und das Auto nicht 10 Minuten warmlaufen laesst, bekomme ich ein mildes, uneinsichtiges Laecheln und die Phrase "Yo soy carboneutro" (ich bin CO2-Neutral), und Punkt.

Es war ausserdem auch ziemlich cool, mal wieder mit Deutschen zusammen zu sein, erst nach drei Monaten beinaher Totalkarenz wird einem klar, wie schoen die Muttersprache ist. Connie, Milena und ich verstehen uns wunderbar, wir haben lange Naechte mit dem Erfinden neuartiger Piscokombinationen zugebracht und dabei hemmungslos sinnfreie Phrasen gedroschen und alberne deutsche Wortwitze gerissen. Die meiste Zeit haben wir - abgesehen von zahlreichen netten Besuchen von Freunden und Familie - alleine auf das Haus hier aufgepasst, weil Abraham verreist war, und es entstand ein sehr lustiges WG-Feeling.

Heiligabend waren wir erst bei der Gastoma zum sehr interessanten brasilianisch-peruanischen Festessen, zu dem wir Kartoffelpuffer und Apfelmus beigesteiert haben, dann in der Dorfdisco zu peruanisch-bolivianischer Cumbia und brasilianischem Forró. Zum Glueck sind alle suedamerikanischen Taenze super einfach zu lernen, einfach von einem Fuss auf den anderen treten und wild mit der Huefte wackeln, und wir kamen wunderbar klar. Wenn auch die eigene Familie fehlt und ob der voelligen Absenz von Kaelte und Schnee die typische Weihnachtsstimmung nicht so richtig aufkommen wollte, hatten wir una buena fiesta, und ich schicke nochmal in Gedanken abrazos an alle um den Globus, con todo el amor y el cariño del mundo.

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Iñapari

Okay, nach schlappen 10 Minuten Ladezeit hat sich jetzt das Blogfenster geoeffnet, nachdem alle Versuche mich ueber Mail oder Facebook zukommunizieren an dem Schneckeninternet gescheitert sind. Macht aber nichts, im Regenwald ist es heiss, und schwuel, der Organismus arbeitet langsam, man hat Zeit.

Das ist sehr entspannend, nachdem die Reise hierher mit gut 40 Stunden im Bus doch ein bisschen geschlaucht hat. Mit dem ersten Bus nach Santiago, dort 5stuendiger Aufenthalt wegen Strassenblockade der Baumwollbauern, nach Cuzco, nach nur einer Stunde weiter nach Puerto Maldonado, dort auf dem Motorradtaxi zum Collectivobahnhof, mit einem Colectivo nach Iberia, mit einem anderen nach Iñapari. Nachdem ich die Fahrt durch die Berge fast komplett verschlafen habe, bin ich hellwach, um meinen ersten in vivo-Eindruck vom Regenwald in mich aufzunehmen. Und es ist sehr schoen, wild, gruen, und schwuel, und gruen. Die Strasse erstaunlich gut, nichts von Sand/Schlammpiste, dann Iñapari, wo mich Milena und Connie, die anderen beiden Weltwaertsfreiwilligen in Peru, lieb an der sehr neten Polizeikontrolle abholen (wir sind hier genau an der Grenze zwischen Peru Basilien un dBolivien). Und ich bin froh, mal wieder viel vertrautes Deutsch zu hoeren, und stolz, auf der Reise weder mich verfahren noch ueberfallen worden zu sein.

Die naechsten Tage werde ich im hiesigen Aniaprojekt mithelfen, in den Dschungel gehen, Regenguesse abbekommen, und chillen, weil wie gesagt hier alle Prozesse sehr langsam laufen,. Und natuerlich vegetarisch Weihnachten feiern und dabei liebvoll an euch denken.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

Dos Perús

Ich war mal wieder überrascht, wie hässlich Armut sein kann, als ich heute einen Blick in das Schlaf- und einzige Zimmer meines Schülers Renzo werfen konnte. Da wohnt er mit drei kleinen Schwestern und seinen beiden Eltern, wir sprechen hier über ca. 15 Quadratmeter, und die fassen die zwei Betten und alle anderen Habseligkeiten der Familie, die zum Glück nicht so viele sind, denn es gibt keine Schränke - das Chaos wäre nur noch größer. Neben dem Haus/Zimmer gibt es einen mit Tüchern überspannten Verschlag, da ist die Küche. In San Jacinto kochen sie tatsächlich noch über dem Feuer, Gas ist teuer, aber so gehen eben die Huarangos drauf.
Ansich könnte das Leben hier die pure Idylle sein - ruhig, sonnig, mit dem im Osten thronenden Cerro im Hintergrund - wenn es frei gewählt wäre. Ich komm hier ziemlich gut klar, solange man mir sauberes Trinkwasser gibt, mit Carmens vegetarischem Essen, gelegentlich einer kalten Dusche und einer handvoll Bücher bin ich ziemlich zufrieden. (Wobei das, was ich hier mache, mit akademischer Askese vermutlich besser benannt ist, als mit dem, was das andere ist, Armut.)
Hässlich wird es nur, wenn versucht wird, upscale Western Standard zu imitieren, dreckige, hässliche Jesuskalender als Dekoration, der Versuch einer Dusche und die Plumpsklos mit den Plastiksitzen, wo hinhocken viel einfacher wär, und das ganze hässliche Plastik überall!

Und manchmal macht es mich auch ganz schön traurig, wenn ich sehe, wie schlecht hier das Miteinander funktioniert. Wie sich die Kinder anschreien, wie die Erwachsenen die Kinder schlecht behandeln, wie sehr es an Kultur mangelt, wie schon mal wild übertrieben und gelögen wird, wie man sich in seiner Armut akommodiert hat und auf Geschenke wartet, ja sogar ziemlich forsch fordert, und wie man mir immer wieder von Raub und Neid erzählt. Wenn ich sehe, wie sehr es an Kultur fehlt. Aber wer braucht schon auch ein Theater, wenn man zuhause ungefähr in jedem Zimmer zwei Fernseher hat.
Ich habe mit den Kindern angefangen, ein witziges Krippenspiel zu schreiben und zu proben, und zu den Regeln des Good Behavior Games jetzt auch noch die Einhaltung christlicher (zur Einführung hab ich eine Religionsstunde benutzt) Werte hinzugefügt. Wenn die Kinder einen Bleistift ausleihen wollen, sagen sie jetzt nicht mehr "Dame tu lapiz, pee" (Gib mir deinen Stift, ey), sondern "Serías tan amable de prestarme tu lápiz, por favor?" (Wärst du so lieb, mir deinen Stift zu leihen, bitte?). Das ist sehr schön. Wenn sie das oft genug bei mir üben, fangen sie vielleicht auch irgendwann in der Welt draußen an, sich hübsch zu benehmen.

Jetzt wo ich das so schreibe, ist es allerdings auch mal Zeit für ein dickes Cave: Es ist zwar bestimmt alles (wenigstens subjektiv ;) wahr, was ich hier von meinen Erlebnissen wiedergebe, aber es handelt sich bei vielem um punktuelle Eindrücke hier aus dem Dorf. Und ganz sicher sind nicht alle Lehrer hier so unfähig wie Pilar, nicht alle Peruaner so faul wie meine Kids manchmal, und lange nicht alle Häuser so schmuddelig wie die in San Jacinto, und man muss garnicht so weit fahren, um das zu erleben. Letzte Woche war ich zu Besuch in der Primaria von Cachiche, das ist der erste Stadtteil von Ica, wenn man von San Pedro ins Zentrum fährt. Die Lehrerin meines Nachbarn Antoni hatte mich gebeten, einen ihrer Schüler psychologisch zu begutachten. Und dort ist alles etwas anders - Cachiche ist schön, hat zwar keine asphaltierten Straßen, aber auch nicht viel Verkehr, es gibt neben den Colectivos wohl auch eine Art Bus, eine hübsche Plaza mit Blumen, und überhaupt hat jedes Haus freiwillig seine TiNi vor der Tür, und die Häuser sind zwar klein, aber aus Ziegel und ansehnlich. Die Schule ist auch klein, aber jede Klasse hat ihre eigene Lehrerin und ihr eigenes Klassenzimmer, und die sind sauber und aufgeräumt und hübsch dekoriert (wobei ich mich frage, warum die Kinder auf den edukativen Postern alle hellhäutig und blond sein müssen - Beobachtungslernen funktioniert doch besser, wenn man sich mit dem Vorbild identifiziert?). Ich kam, nach einer holprigen Fahrt im Kofferraum des Schultaxis, sehr früh an, und die wenigen Schüler, ebenfalls fast alle überpünktlich aufkreuzten, fingen an, freiwillig und ein bisschen umständlich den Boden zu putzen und zu wachsen. Es gibt Schuluniformen und keines der Kinder kommt mit erkennbar dreckigem Gesicht in die Schule, scheinen halbwegs ausgeschlafen und haben gefrühstückt. Unterrichtet wird zumindest grob nach Lehrplan (meine Kids sind in allem weit, weit zurück). Wer in San Pedro ein bisschen was von Bildung hält, schickt seine Kinder nach Cachiche. Ob aus meinen Sechstklässlern trotzdem noch was werden kann? Morgen ist die Abschlussprüfung, und als ich heute mit Leslie lernen wollte, sagte sie mir, sie hätte jetzt wichtigeres zu tun. Zum verzweifeln. Und Milenia sagt mir, sie will nicht bestehen, weil sie lieber in der Sechsten bei mir bleiben will. Zum verzweifeln, aber süß, und hält die Laune aufrecht :)

Dienstag, 6. Dezember 2011

De Gatitos y Riego por goteo.


Freitag bin ich Mutter eines süßen kleinen Waisenkätzchens geworden, was mich sehr glücklcih macht. Halb verhungert, falsch ernährt und ganz verfloht, musste ich es von dem Rattengifttod erretten, zu dem es von den bösen Stiefeltern verurteilt hatten.
Mit viel Liebe, Leche Gloria und etwas Brot und nach einer vorsichtigen Reinigung mit warmem Wasser und Flohsprüh ist es jetzt trotz Carmens dunkler Prophezeihungen übern Berg, maunzt fleißig Tag und Nacht, klettert selbstständig aus seiner Kiste heraus und läuft mir überall hin nach. Im Unterricht ist es auch dabei, und das Schönste ist Treibhauseffekt erklären mit dem Fratz auf dem Arm.

Samstag habe ich mit Yoel mit viel Freude und Eifer seine TiNi wiederaufgebaut, die alte war vertrocknet, der Zaun eingefallen und der Rest der Pflanzen von den Hühnern gefressen. Nachdem ich mich einige Tage vorher zum Wiederaufbau angekündigt hatte, war ich begeistert, als ich bei meinem Eintreffen schon die Hälfte neu errichtet vorfand. Im verbleibenden Teil der TiNi hatte Yoel sich sogar ein Tröpfchenbewässerungssystem installiert, ganz alleine. Blieb noch, die TiNi zu vergrößern, also die Erde auszutauschen und den Zaun drum herumzuspannen, was auch noch einen ganzen Vormittag gefüllt hat... trotz der tatkräftigen Mitarbeit sämtlicher kleiner Geschwister.Gut dass Yoel eine Hängematte hat, in der ich anschließend seinem Flötenspiel lauschen und ein paar Tipps geben durfte. Das mit dem Musik uterrichten kann ich einfach nicht lassen :)

Trotz alledem war ich abends noch fit genug, um mit Milagros, Luchos Schwester, ins Nachtleben zu tanzen. Lucho und Stefania und ihre Freunde sind in letzter Zeit zu träge, zu alt oder zu krank um auszugehenn, aber ich muss tanzen, sonst werd ich ob Carmens Kohlenhydratmast wirklcih noch dick hier.
Jedenfalls fand ich mich dann nachts auf einem schicken Dieziochoniero (18. Geburtstag) wieder, die hier für die Jungs riesig gefeiert werden. Alles ein bisschen übertrieben, viel Pomp, aber nur halb so schlimm wie die Quincenieros (15. Geburtstage) der Mädls, wo das arme Kind in ein Prinzessinenkleid gesteckt wird (besonders passend in San Jacinto, mit den Stöckelschuhen im Lehmboden stapfend) und unglaublich viel alberner, rosafarbener Trubel betrieben wird, um es in die Gesellschaft einzuführen... aber man muss ja alles mal gesehen haben, und ich war fest entschlossen mich zu amüsieren. Ich war natürlich auch die einzige Gringa dort und Mili hatte mich in ein winziges Kleidchen und haushohe Schuhe gesteckt, und natürlich wurde ich aufgefordert, vor aller Augen Negroide zu tanzen, was mir bisher nur aus dem Fernsehen ein Begriff war... aber vor lauter Erdbeerpisco dürfte das niemandem aufgefallen sein, und ich hatte Spaß :)

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Legión de Ania

Keine großen Neuigkeiten.. es wird immer heißer, die Akazie vor meiner Schule blüht wunderschön (überhaupt, mit der ganzen Baumkrone blühen, das müssen die deutschen Bäume erstmal nachmachen), die Kids sind weiterhin meist bastante renegones (ziemlich bockig), wenn es ums Lernen geht, dafür eifrig beim Spielen und Pflanzen und sind vollkommen unbeeindruckt davon, dass sie bald Abschlussprüfungen haben. Moskitos, Katzen und Hunde werfen süße kleine Tierbabys, ich bin fleißig überall dabei und meist recht zufrieden und ausgeglichen. Wenn ich nicht, wie jetzt gerade, verzweifelt Mücken jage. Malditos bichos de los cojones me cago en sus muertos (ohne deutsches Pendant)!

Diese Woche habe ich mit meinen Großen ihre Ausbildung zu "Protegedoras especiales de la Tierra" vollendet, Spezialeinheiten im Schutz der Erde. Ganz nach Lehrbuch hatte ich total ganzheitlich und super fächerübergreifend ein paar Unterrichtseinheiten zum Einüben umweltgerechten Verhaltens und dessen Multiplikation gemacht. Die Kids können jetzt ziemlich gut die Verhaltensregeln aufsagen, nachdem wir sie grafisch und mimisch dargestellt haben, und wenn sie Umweltfrevel bei anderen beobachten, verteilen sie Strafzettelchen im ANIA-Look, die sie mit etwas Hilfe auch ganz gut erklären und begründen können. Dazu haben wir zum Auffrischen nochmal die Ania-Geschichten gelesen. - zu meiner großen Überraschung und Begeisterung konnte Milenia große Teile davon auswendig hersagen... hätte ich welche getragen, wär ich ob dessen glatt aus den Latschen gekippt. Dafür gabs dann grüne Umweltsherriff-Sterne zum Anstecken, um auch die nötige Autorität zu verleihen.


Den Kindern ist dabei nicht entgangen, dass ich sie hemmungslos instrumentalisiere, aber es schien sie nicht zu stören. Es war für sie mehr wie ein Spiel.. "Tu eres Ania, y nosotras somos tu legión" (Du bist Ania, und wir sind deine Legion), haben sie zu mir gesagt. Warum auch nicht :D

In der Praxis funktioniert das noch nicht so gut.. wenn die Großen den Kleinen die Zettelchen verteilen, weil sie Müll auf den Boden werfen oder wild Pflanzen ausreißen, freuen die sich so über die süßen Bildchen, dass sie noch mehr davon haben wollen...

Mittwoch, 23. November 2011

Vivan las flores!

Etwas ganz Wunderbares ist passiert. Als ich heute in San Jacinto war, um die letzte Woche neu angelegte TiNi von Leslie und Lidia zu begutachten, fand ich vor Marcos Haus seine TiNi, wiederaufgebaut, von seiner Mama. Hat wohl geholfen, dass ich meine Enttäuschung über den fiesen Abriss des Gartens nur schlecht verborgen habe :) Die Samen, die ich geschenkt hatte, sind zwar verloren, aber die Mama hat einen hübschen Zierbaum gekauft, und morgen bring ich neue Coquetas.
Ich freu mich sehr. Wenn die Leute ihre Gärten jetzt selbst bauen, und sogar darin investieren, steigt wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch längerfristig darum kümmern.

Auch bei Leslie und Lidia war noch alles in Ordnung, was mich ebenfalls freudig überrascht hat - der erste Versuch bei den beiden viel den gewalttätigen Geschwisterkinder zum Opfer. Die neue Version hat keine Tür, sondern eine Einstiegstreppe und ist damit relativ kindersicher, und die Seitenwände bestehen aus zwei alten Türen, die wir tief in die Erde gegraben haben und mit Palos (Stöcken) gestützt werden. Hat also die erste Woche überlebt, und wir haben alles schön bunt angemalt. Ich mach die Ninyos schön langsam zu richtigen Blumenkindern :) Viel gepflanzt haben wir allerdings dort noch nicht, weil ich befürchte, dass wir noch die Erde tauschen müssen, da wo die Kids gegossen haben, bilden sich weiße Ränder, Salz, vermute ich, und da wächst dann nicht viel.

Die UNO hat den Kindern Laptops geschenkt, diese kleinen weiß-grünen Dinger aus dem One-Laptop-per-Child-Programm. Wir haben allerdings nur vier für die ganze Schule bekommen, aber das reicht auch, meines Erachtens. Man sollte ja eigentlich meinen, dass die, die wenig besitzen, diesen ihren Besitz besonders wertschätzen. Bei den meisten hier ist dem nicht so - alles, was ich den Kindern schenke, hält keine Woche durch, ohne kaputtzugehen. Manche verlieren täglich einen Bleistift. Auch meine Großen sind Meister der Tollpatschigkeit, wobei ich nicht weiß, ob sie ihre Sachen nicht manchmal absichtlich runterwerfen, weil ihnen das mehr Spaß macht, als die Stifte ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Schreiben, zuzuführen. Ich bin sehr gespannt, wie lange diese Laptops durchhalten.
Jedenfalls haben wir ab jetzt jeden Mittwochmorgen Computación, das ist ganz lustig, und die Kids wollen garnicht mehr aufhören. Was ein bisschen nervig ist. Bruchrechnen, Bäume pflanzen und Denken kann man nämlich auf den Dingern nicht so gut lernen.

Achja, und ich lerne Quechua. Milenias Familie kommt aus den Bergen, wo das noch gesprochen wird. Milenia will Lehrerin werden, und darf sich jetzt gelegentlich als Profesora de Quechua profilieren. Klingt wild und ist schwer zu merken, aber spannend. Imaynayan, allinchu cachquanqui!

Dienstag, 15. November 2011

Logros, Fallos, y más Pensamientos.

Von Marcos TiNi ist nichts mehr übrig. Seine Mama hat alles ausgerissen, weil sie den Platz für die dumme Taufe ihres Sohnes gebraucht hat. iQue rabia!
Um mich zu beruhigen, habe ich noch am Tag der Entdeckung dieses Frevels einen Baum in die Schul-TiNi gepflanzt, Durasno (eine Art Aprikose). Er lässt die Blätter ein bisschen hängen, aber ich hoffe, er kommt durch.

Und es sind auch erfreuliche Dinge geschehen:
die Compostaje ist fertig, und bei der Auftaktstunde zu meiner Umweltdetektive-Spezial-Unterrichtsreihe für die Großen hab ich einiges Wissen über umweltfreundliches Verhalten zumindest theoretisch vorgefunden. Auch die Einstellung, dass Umwelt etwas Schützenswertes ist, stimmt schon - konkrete Umsetzung fehlt noch.



Mittwoch, zweite Stunde: Bäume umarmen:

Habe gelernt, mich über sehr kleine Fortschritte zu freuen, die die Kinder machen, und bin viel gelassener geworden (wie sonst Ruhe bewahren, wenn in der Mathestunde zwei Klassenstufen ihre jeweiligen Aufgaben nicht verstanden haben, weil sie nicht zugehört haben, ein zweijähriges Geschwisterkind das Klassenzimmer auseinandernimmt und ein anderes vor der Tür auf den Boden kackt, während zu alledem ein winziger, mitgebrachter Hund laut kläffend nach meinem Rocksaum schnappt). Aber neben den Erwartungen an die Kids habe ich auch meine Forderungen an mich selbst etwas gemäßigt. Die Verhältnisse sind, wie sie sind, teils gar gräulich - aber ich kann nicht mit einem Fingerschnippen die Welt auf den Kopf stellen, zumal ich in der Schule vielleicht 5 Kinder habe, auf die ich richtig Einfluss habe. Ich kann allerdings mit einem Spaten eine TiNi bauen und mit den Kids die ANIA-Geschichte lesen und einen Aktionstag zum Recycling für das Dorf machen. Und das ist auch schon was.

Und wie sollte ich Grünschnabel auch sofort wissen, wie man dieses Land am besten entwickelt? Wenn das so einfach wäre, wären ja wohl schon andere drauf gekommen...
Willy, der Taxifahrer, sagt, es wäre alles kein Problem, wenn die oben nicht so viel für sich einstecken würden der Staat mal richtig durchgreift. Don Gilberto dagegen erzählt, dass es nach der Agrarreform keine zehn Jahre vergangen sind, bis die Verhältnisse waren wie vorher - ein paar Leute mit viel Land, und viele Leute ohne Land, weil sie ihren Teil runtergewirtschaftet hatten und verkaufen mussten. Luchos knappe Antwort auf die Frage, was seiner Meinung nach entscheidend für die Entwicklung seines Landes sei: "Que el peruano deje de ser vago y flojo", dass der Peruaner aufhört, dumm und faul zu sein.
Willy anderseits sagt auch, dass in der Vorzeigestadt Arequipa eine ganz andere Mentalität herrscht - wenn man Müll fallen lässt, wird man darauf hingewiesen - Entschuldigung, sie haben wohl was verloren?
Development is about changing peoples minds, hab ich irgendwo gelesen und fand es sehr klug - aber sowohl über das wie, und auch das wohin dieses Wandels bin ich mir immer noch unsicher.

Werden die Kinder jemals wirklich verstehen, dass der Müll hässlich ist, wenn ich hier 6 Monate lang von sauberer Umwelt schwärme, während bei ihnen daheim ihr ganzes Leben lang worst practice geschieht, wenn der Dreck für sie so normal ist, dass es sie bis dato nie gestört hat?
Ay caramba.

Dienstag, 8. November 2011

Duendes espinosos.

Ayacucho hat mich sehr erfrischt, und danach nach San Pedro zurückzukehren, war schon ziemlich wie nach Hause kommen. Die Kids hatten schon Angst, ich wäre in den Bergen bei anderen Ninyos geblieben. Zur Beruhigung haben wir die Woche mit einer Exkursion ausklingen lassen, zum Sähen bei einer Tante von Milenia, meiner Lieblingsschülerin; in ihrer TiVi sozusagen (Tierra de Vieja). Anschließend gings zum Brunnen, um dort die Kunststunde zu halten, Kobolde basteln aus Naturmaterialien. Kam gut an, aber die Kakteen hier haben fiese Stacheln.



Ansonsten bauen wir weiter an unserem Kompost, der schön bunt wird und diese Woche fertig werden soll, gestern haben wir zivilisiert streiten gelernt, und die Kinder haben mich von sich aus in ein Gespräch über Höflichkeit und vernünftige Erziehung verwickelt. Profesora, warum sagst du immer bitte, und danke? Was, deine Eltern haben dich nie geschlagen? Warst du denn nie malcriada (ungezogen)? Ich glaube, so ein bisschen haben sie verstanden, dass es gut ist, amable (nett) zueinander zu sein. Was ganz Neues hier, Lexmy aus der Zweiten kann das Wort "Disculpa" (Entschuldigung) nichtmal richtig aussprechen. Und am Beispiel Leslie aus der Sechsten sieht man perfekt, wie sich Mutters gewaltsamer Erziehungsstil darin abbildet, wie sie ihre kleinen Geschwister behandelt. Ich kann ihr im Good Behaviour Game garnicht genug Punkte abziehen... ein einfaches Verstärkersystem reicht in ihrem Fall ganz offenbar nicht aus. Ideas, anyone?
Bisher hab ich noch die "Gute-Beispiel-Methode" probiert. Wenn die Kleinen heulen, nehm ich sie in den Arm und singe, anstatt sie zu hauen. Erfolgswahrscheinlichkeit ist ungefähr die gleiche...

Vor lauter Persönlichkeits- und Umweltbildung kommen wir allerdings lamentablemente im Rechnen, Schreiben und Englisch nicht so gut voran. Ich habe für mich beschlossen, dass ich zur Not darauf verzichten kann, dass die Kinder rechnen können, wenn sie sich nur umweltgerecht verhalten, und nachdem mir eh keiner beim Unterrichten zuschaut, mache ich mit meinen Großen jetzt jeden Tag Projektstunde. Das macht mir und denen mehr Spaß, aber ein bisschen mulmig ist mir schon dabei - ich will doch auch Multiplikatoren schaffen, und wer nimmt jemanden ernst, der nicht vernünftig Prozentrechnen kann und nichts von Evolution weiß? Nicht dass ich das nicht durchnehmen würde, aber ich muss jede Lektion bei den Kids dreifach enkodieren, bis bei denen irgendwas ins Langzeitgedächntnis wandert...

Was sonst noch geschah: Am Wochenende war ich in Ica, Luchos Familie hatte mich zu sich eingeladen. Um die interessante Deutsche im Haus zu haben und um Stefania zu entlasten, die zwecks Nierensteinen und Gastritis (über das nicht allzu leichte Essen hier an der Costa wird es wohl mal ein Extrakapitel geben) nicht so fit ist.
Ich durfte mit Schwester Milagros kochen und backen (Kartoffelgratin und echte Schwarzwälder Kirschtorte), in peruanisch-deutscher Kooperation mit regionalen Zutaten interessant, aber zufriedenstellend, und wurde von Papa Jorge intensiv zu all meinen Ansichten in wilde, aber angenehme Diskussionen verwickelt, Todesstrafe und Freizügigkeit und so. In Deutschland gibt es doch so viele Nudisten? Uii, spannendes Terrain :D
Ich traf auf konträre Meinungen, aber ziemlich viel Offenheit und Toleranz.
Nachdem ich in den ersten Wochen sehr bedacht auf meine Akzeptanz hier war, bin ich jetzt wesentlich sicherer geworden und getraue mich auch, die Probleme im Land anzusprechen, mindestens die, die ich vor Augen habe. Es fehlt so vielen an Umweltbewusstsein, und in direkter Konsequenz ergibt sich daraus das doch recht dreckige Stadtbild von Ica mit den tausend stinkenden Mototaxis und dem knappen Wasser, das dennoch oft vollkommen sinnlos laufengelassen wird. Es mangelt bei so vielen an Bildungsfähigkeit, oft aus Familientradition, was die vielen Menschen auf der Straße erklärt, die Kriminalität, die Frauen, die aus Abhängigkeit ihre gewalttätigen oder untreuen Ehemänner nicht verlassen können. iQué feo!, und das sag ich auch so. Der Blick der weißen Frau ruht auf euch und soll euch nur recht im Nacken prickeln, wenn ihr so weitermacht.

Mittwoch, 2. November 2011

Ayacucho.

Nach der fleißigen letzten Woche habe ich mir ein langes Wochenende Urlaub in den Anden gegönnt- nach einem Monat Costa muss ich jschließlich des Blogs Namen mal gerecht werden. Lucho, ein Freund Stefanias, den sie mir als vertrauensvollen Reisebegleiter genehmigt hatte, hatte mich eingeladen, ihn zu seiner ehemaligen Arbeitsstelle in Huanta, Ayacucho zu begleiten.

Donnerstagnacht also Hinreise im bequemen Langstreckenreisebus, acht Stunden Panamericana und gewundene Bergstraßen. Lucho ist ein kleiner, kluger Peruaner mit nachdenklichen schwarzen Augen, dem es wie nur wenigen hier gefällt, wenn man sich Gedanken macht, und der auch schonmal was von Sostenibilidad hat reden hören, und so geht die erste Hälfte der Fahrt recht fix vorbei. An den Rest kann ich mich nur schwer erinnern, denn Lucho ist außerdem Arzt und gibt mir um Mitternacht ein Schlafmittel, damit ich garnicht erst auf die Idee komme, Übelkeit oder Höhenkrankheit zu verspüren. Nach anfänglicher Skepsis bin ich dann doch ganz froh darum, denn als ich einmal kurz aufwache, kann ich nicht nur die sich nächtlich auftürmenden Andenkämme im Mondschein bewundern, sondern auch den Mitreisenden bei der Widergabe ihrer Abendmahlzeit zuhören. Ich verzichte also auf die Aussicht und schlafe bis zur Ankunft durch.

In Huanta beziehen wir eine sehr hübsche Hospedaje mit Orangenbaum und riesigen Christsternen, schööönem sauberem Bad und dem obligatorischen Fernseher (bah! das peruanische Programm ist so furchtbar wie allgegenwärtig) und schlafen erstmal den verbliebenen Schlafmittelrausch aus. Frühstück in der Markthalle, die wie ein winziges uriges Kaufhaus ist, in dem jeder Laden ungefähr 5 Kubikmeter misst, so voll mit Waren ALLER Art, dass noch ganz genau eine kleine hutzelige Verkäuferin mit ihrem runden schwarzen Hut und ihrer weißen bestickten Schürze darin Platz hat. Manchmal passt auch noch ein bunt eingewickeltes Baby hinein. Ja, und dort kauft man dann frischen Papayasaft mit Milch und Zucker und Honig und Keke, süßen fluffigem Kuchen, das ist sehr lecker und halbwegs gesund, und kostet fünf Nuevos Soles, also fast nichts.
Nach diesem wunderbaren Frühstück besuchen wir die Posta, so eine Art Ärztezentrum, in der Lucho sein PJ gemacht hat. Seine Freunde dort sind sehr lustig und finden es ziemlich spannend, dass eine Gringuita sie besuchen kommt. Nachdem hier nur bis mittags gearbeitet wird, spazieren wir alle zusammen durch die Stadt, zur Plaza de Armas. Jede Stadt in Peru hat eine Plaza de Armas, ein herausgeputztes quadratisches Plätzchen mit wahlweise Brunnen, Statue oder Obelisk in der Mitte, das ist für die Orientierung sehr gut. Huanta ist kleiner, etwas sauberer, und ruhiger als Ica (aber immer noch laut und stickig!) und trotz der Höhe auf 2800 Meter schön warm, weil sonnig und von Bergen umschlossen. Trotzdem muss man hier Regen kennen, denn die Straßen haben Rinnen und die Häuser richtige, geneigte Dächer. Besonders viel sehenswertes gibt es in der Stadt selbst nicht, aber dafür die wunderbaren Anden rundherum.
Abends betrinken wir uns mit den Kollegen beim Kartenspiel, Golpeao, bei dem ich mich garnicht ungeschickt anstelle, und tanzen in der einzigen Disko im Ort, Waino, Saia, Cumbia, die Tänze der Region. Nicht allzu spannend, etwas eintönig sowohl in Musik als auch Schrittfolge.

Am nächsten Tag vertritt Lucho den nicht anwesenden Arzt in der Posta, was mir Zeit gibt, mich alleine in Huanta zu verlaufen. Ich bin weit und breit die einzige Gringa und finde auf dem Markt auch keinen passenden Hut um mein Hexenhaar zu verstecken, aber die Menschen sind lieb zu mir und erklären mir aufwändig und freundlich jeden Weg. Dabei ist es allerdings nicht unbedingt hilfreich, dass in den Bergregionen statt der international gängigen Termini "links" und "rechts" als Richtungsangaben "nach oben" und "nach untern" verwendet werden. Aber ich schlage mich durch. Ha. Den Nachmittag verbringen wir in einem Recreo, einem Ort außerhalb der Stadt, in dem unter schattenspendenen einheimischen Bäumen hölzerne Sitzgarnituren stehen und mit Saia beschallt werden, und man wird mit regionalen Spezialitäten bewirtet. Ich esse Trucha, einen Lachsartigen Fisch, der hier gezüchtet wird, natürlich mit Aji (scharfer Soße), Camote (Süßkartoffel) und Chicha morada (punschähnliches Gebräu aus rotem Mais, unglaublich lecker und erfrischend).

Sonntag fahren wir in den Bergen herum, nach Quinoa. Das ist ein besonderes Abenteuer, einmal weil ich erstmalig bei Tag und im Wachzustand die wunderschöne Sierra begutachten kann, und dann weil das Reisen zwischen den Bergdörfern wunderbar aufregend ist. Während man sich in der Stadt am besten mit Mototaxis fortbewegt, dreirädrigen Kabinen mit ungefiltertem Zweitaktmotor, reist man zwischen den Orten im Colectivo, richtigen Autos, die am Ausgang der Stadt warten, bis genügend Passagiere für die Pasaje zusammen sind (genügend heißt: bis das Auto voll ist, also mindestens 6, mit Kofferaum auch gerne 9 Personen). Dann geht es los, und es ist wie kaputte montanya rusa (Achterbahn) zwecks der vielen Kurven (vom Straßenverlauf so vorgesehen oder vom Erdrutsch so erzwungen) und Schlaglöcher, mit super Panorama. Karge, rötliche Felsen, flache Vegetation, staubige Kakteenwälder, schroffe Klippen, auf der Fahrbahn gelegentlich schwarze Schweine und fleckige Kühe, daneben hin und wieder ein Weiler mit winzigen Lehmhütten und ein paar Cultivos. Bei der Ankunft bezahlt man ein paar Soles, bekreuzigt sich noch einmal (so wie schon bei Antritt der Fahrt) und freut sich seines Lebens. Während ich bei der Hinfahrt an diesem Tag mit Gucken so beschäftigt war, war die Rückfahrt dann doch ein bisschen stressig für mich und mein Mittagessen - noch in der selben Nacht trennten wir uns voneinander. Schade eigentlich, denn es war leckeres Quinoa gewesen, ein Getreide, das in den Anden und im gleichnamigen Dorf wächst und einen für gewöhnlich gut bekömmlichen Eintopf abgibt.
Quinoa ist aber vor allem für seine Artesanía bekannt, die Handwerkskunst, und in dem kleinen Städtchen gibt es alles, was das Touristenherz begehrt. Auf jedem Häuschen thront ein kleines tönernes Kirchlein, dass das Gebäude vor dem Einsturz bewahren soll. Desweiteren gibt es Krippen und heilige Figürchen in allen möglichen Ausführungen, vor allem aber in bunter Andentracht. Dann natürlich bunte Strickwaren aus Alpakawolle, von der ich endlich den schönen bunten Pulli erwerbe, der mir auf dem Tollwood immer zu teuer war (hier: 32 Soles nach dem Handeln, 8 Euros). Und ich kaufe eine Kena, eine sehr simple traditionelle Flöte. Vier von sechs Löchern kann ich schon schöne Töne entlocken, wobei mir die Logik der Griffweise noch immer ein Rätsel ist.
Wir klettern hinauf zum Denkmal der Schlacht von Ayacucho, wo sich in alter Zeit die Unabhängigkeit Lateinamerikas entschieden hat, ein wenig ansehnlicher, dafür riesiger weißer Obelisk, weithin Sichtbar in ganz Ayacucho. Más allá in ein Tal hinein gibt es einen groß gepriesenen Wasserfall, zu dem wir uns von schlecht genährten, aber unglaublich trittsicheren und sehr geduldig Pferden tragen lassen. Unterwegs knüpft uns eine Andenfrau einen Sol für "Mantenimiento" (Erhalt) der Umgebung ab - trotzdem ist der Bach ziemlich zugemüllt. Aber vielleicht kaufen sie von dem Geld irgendwann noch mehr von den Basureros (Mülleimern), die keiner zu benutzen scheint... ich plantsche dennoch ein bisschen mit den Füßen im Wasser, schieße ein Foto vom Wasserfall und kriege davon Hunger auf Kuchen. Den gibt es in Huamanga, wohin uns eine weitere Höllenfahrt bringt, und es ist tatsächlich "Selva Negra", Schwarzwälder Kirschtorte! Gustatorisch aber Welten entfernt von deinem, Mama :)



Zum Abendessen gibt es Pan Chapla, Brot ohne Herz, mit Bergkäse. Sehr lecker, aber wie bereits erwähnt, muss ich das mit der Verdauung am nächsten Morgen nochmal erneut versuchen. So halbwegs mit Nährstoffen versorgt versuchen wir es heute mit einem neuen Wasserfall, von Huanta aus zu Fuß. Dabei sehen wir die kleinen Bergdörfchen mit ihren Lehmhüttchen, Felderchen und Haustierchen von nahem, und alles ist sehr klein und sehr wild und recht idyllisch, wenn, ja wenn die Menschheit niemals je den Kunststoff und den damit verbundenen Kunststoffmüll erfunden hätte. Bäh.
Auch diese Gegend hat Geschichte, die Bewohner erinnern sich noch gut an den Terrorismus, der in den Bergen sehr ausgeprägt war. Lucho erzählt, dass er einmal mit einem Kopftuch gegen die Sonne und dunklen Brillengläsern durch die Gegend kam, was blankes Entsetzen ausgelöst hat...

Der anstrengende Aufstieg lohnt sich, der Wasserfall ist muy bonito, eiskalt, und wenn man darunter steht sieht man überall Regenbögen. Glücklichweise scheint die Sonne noch lange genug, um uns zu trocknen, dann kündigt sich der Regen an und wir rutschen den lehmigen Weg zurück nach Huanta.





Am letzten Tag sind wir in Huamanga, der größten Stadt Ayacuchos, was man vom Mirador hoch über der Stadt fein begutachten kann. Dort gibt es außerdem frisch gemachtes Eis aus Milch, Maní (noch so ein Körnerzeug) und Zucker, was ein bisschen sonderbar, aber hauptsächlich süß schmeckt.
Bei einer Partie Inka-vs-Spanier-Schach verabschiedet sich die Sonne von meinem Urlaub und der Rest ist chemisch induzierter Tiefschlaf...

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Sembrar!

Diese Woche hab ich meine erste TiNi fertiggestellt, für Marcos in San Jacinto. Das war viel einfacher als gedacht - meine Arbeit bestand hauptsächlich darin, die Leute dort zu animieren, jetzt endlich mal anzufangen. Das bisschen Erde schaufeln und Canya (Rohr) binden war dann garnicht schwer.
In der Erde, die wir vom Feld geholt haben (die Erde vor dem Haus ist "salitre", salzig, und für nichts zu gebrauchen) stecken jetzt Melonen-, Sonnenblumen-, Papaya- und Akaziensamen, ein paar Zitronenschößlinge, ein paar Samen deren Früchte ich zwar gegessen habe, aber an deren Namen ich mich nicht erinnern kann, und jede Menge Coqueta, ein einheimisches Kriechgewächs mit hübschen rosa Blüten und satten grünen Blättern, die viel Wasser speichern und wenig verdunsten.
Alles ist mit Canya und Malla (Gitter) gut gegen die Hühner geschützt, und Marcos hat hoch und heilig versprochen, regelmäßig zu gießen. Ich bin sehr gespannt und hoffe, dass es bald wie wild grünt und blüht. Nächste Woche kriegt Marcos sein Schild mit dem Namen der TiNi, und es wird offiziell eingeweiht.
Die Kinder haben beim Bauen tatkräftig "geholfen", in dem sie schreiend um die Erwachsenen herumgehüpft sind und sich um meine Kamera gestritten haben. Und beim Tiratierra-Spiel ("Wirf-mit-Erde") ist gelegentlich auch ein bisschen Erde an der richtigen Stelle gelandet. Freude und Eifer waren jedenfalls spürbar - obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob die TiNi-Idee bei allen schon so richtig angekommen ist. Vielleicht bring ich zur Einweihung nochmal die ANIA-Bücher mit, nochmal sanft auf die Mission hinweisen - wir hüten die Pflanzen und die Erde!

Freizeit fiel wegen den vielen Besuchen in San Jacinto die Woche etwas mager aus, aber am vergangenen Wochenende war ich bei Stefanias Familie in Ica. Samstags gab es Parilla (Barbacue) bei ihrem Bruder Polo mit jeder Menge Verwandtschaft, die mit jedem Glas Pisco immer lustiger wurde (abends bei Stefanias Freunden ging es mir dann ganz ähnlich, ist viel stärker als ich dachte, und ja, im Pisco Sour ist tatsächlich Eiklar drin). Sonntags waren wir bei Alfredo (Stefanias Enamorado) auf der Chacra seiner Familie. Das muss man sich ungefähr wie eine sehr hübsche, blütengeschmückte Hacienda mit einer weinbewachsenen Auffahrt vorstellen, umgeben von sehr vielfältigen Anpflanzungen von Baumwolle über Granatapfel bis Spargel. Am Horizont der Cerro, lärmende Ninyos wuseln einem um die Beine und springen kreischend im Wasserbecken herum, auf der Terasse sitzen dicke Agraringenieure und werden beim Verzehr mehrerer Hühner und Schweine immer dicker, untermalt mit einem wilden Mix aus Salsa, Reggeaton, internationalen Oldies, sogar Nena, und in einem Nebenraum sitzen die stillenden Frauen, schimpfen auf die Männer und finden es ganz unglaublich, dass ich ganz ohne Familie hierbin, und ganz allein, und noch garnicht verheiratet? Ja nee, sag ich dann, ich bin independiente, und ich bin hier um davon noch mehr zu lernen...

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Trabajar y Pasearse.

Ania - vorgezeichnet für die Kunststunde

Clase de Inglés - spärlich besucht, dafür aber eifrig bei der Sache

La TiNi de Yulissa mit dem schönen Namen "El Rosal de las Flores" - Rosen bewundern mit dem Palo in der Hand - hier beißen die Hunde...

Habe allmählich einen Lebens- und Arbeitsrhythmus gefunden, auch wenn hier ungefähr nichts vorhersehbar ist. Kommt vormittags jemand mit einem hübschen Pferd vorbeigeritten, oder einer der Drop-outs kommt 14-jährig und selbstverständlich lässig unbehelmt auf seinem Motorrad angefahren (dass er sich bei der Feldarbeit verdient hat, um meine Mädls aus der Sechsten zu beeindrucken) rennen schonmal alle kreischend raus, um diese Sensation zu begutachten.
Oder der Brunnen wird eingeschaltet und es müssen plötzlich alle Pflanzen in der TiNi gegossen werden, oder Carmens Hund Lobo kommt mich besuchen und springt mich so lange an, bis ich ihn mit dem Palo (Stock) drohe, und es ist für eine halbe Stunde unmöglich, irgendwie zu unterrichten. Man lernt: Gelassenheit.

Außerdem, wie schon angedeutet: Die Ninyos sind zwar sehr lindos (süß), wenn man mit ihnen spielt, aber bien dificil (ganz schön schwierig), wenn man ihnen was beibringen will. Schwer erschüttert war ich, als ich in meiner zweiten Woche hier entdecken musste, dass aus der ersten Woche NICHTS hängengeblieben war. Und das Lernen tut ihnen offenbar sehr weh, sie weigern und sträuben sich mit großem Fleiß dagegen... Stillhalten - was?, Melden - ähm...?. Die schönen und hochgelobten Unterrichtsformen, die ich gelernt habe, Gruppendiskussion - qué?, Paararbeit - hä?, habe ich bald aufgegeben. Das Vorwissen, das ich erwartet habe, ist nicht vorhanden, jeden Tag schraube ich meine Ansprüche ein Stück weiter runter. Man lernt: Geduld.

Thematisch habe ich mich, wie gesagt, erstmal auf das wesentliche konzentriert, Lesen, Schreiben, Rechnen, Grundlagen in Englisch, und ein bisschen Erziehung zu Werthaltungen (Gleichheit und Gerechtigkeit, Bildung wertschätzen), aber die sind schon recht schwierig für die Kids. Inzwischen habe ich auch angefangen, vormittags ein paar Umweltthemen einzuflechten: In Kunst haben wir die verdreckte Lagune gemalt und ein Herbarium-Memory angefertigt (das alte Memory wurde geklaut), in Ciencia y Ambiente (Wissenschaft und Umwelt) haben wir angefangen, einen Kompost für die TiNi zu bauen, und in Religion habe ich die Schöpfungsgeschichte behandelt, mit besonderem Fokus auf dem Gedanken des Bewahrens und der Verantwortung für die Erde. Letztere Einheit fiel auf sehr fruchtbaren Boden, und da fand ich auch ziemlich viel Vorwissen. Vielleicht nutze ich das öfter...
Zunächst hatte ich mich nämlich geweigert, Religion und zu unterrichten. Stattdessen hab ich erstmal das mit der Evolution erklärt. (Aber, puedes calmarte, Michi - hier gab es nie Hexenverfolgungen und auch der Glaube, dass alle rothaarigen Frauen mit dem Teufel im Bunde stehen, war hier nie verbreitet :)

Ansonsten hab ich mich diese Woche mehr vergnügt als gearbeitet - am Wochenende war ich endlich tanzen - wurde allerdings nur wenig Salsa aufgelegt, und zum Trinken gabs Whiskey mit Guaraná (fragwürdig...), aber ich hatte Spaß und Stefanias Freunde sind sehr nett. Auch wenn ich mich in San Pedro sehr wohl fühle und sich alle sehr lieb um mich kümmern - Waschbecken mit fließendem Wasser sind eine großartige Erfindung, und es tat auch gut, mal wieder mit studierten Leuten zusammenzusein.
Dann war eineinhalb Tage frei, weil der Senyor de Luren, der Schutzheilige von Ica, derzeit auf freiem Fuß in der Stadt unterwegs ist. Dann gehen alle raus um ihn anzugucken, dazu wird mit Kerzen gewedelt und wenn man ihn von vorne sieht, darf man sich was wünschen. Ungefähr wie Demo daheim, aber es wird nicht so rhythmisch skandiert, und der Sinn wird einem nicht so leicht ersichtlich...

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Más Fotos

Mehr Bilder: Oben die Laguna verde von San Pedro. Grün wegen dem vielen Algengewächs darin. Und was da außer den Enten sonst noch so drin rumschwimmt, will ich lieber garnicht wissen.
Ein Eindruck aus San Jacinto. Wenn das Erdbeben kommt, bricht hier jedenfalls nicht viel zusammen.

Nochmal San Jacinto, aber ein allgegenwärtiger Anblick: Müll, und Kinder, die ganz selbstverständlich darin spielen.
Der Weg zu mir ist ganz einfach. Von Ica aus einfach die Hauptstraße noch ein Stück nach Süden nehmen, San Pedro ist dann ausgeschildert (...not! :)
Meines Gastonkel Miguels Tiere. Ob sie gerne angebunden sind, weiß ich nicht, und etwas Wiese würde ihnen wahrscheinlich gefallen, aber sonst ganz vernünftige Tierhaltung. Im Hintergrund der Abort.
Miguels Haus von vorne - San Pedro ist im Vergleich zu San Jacinto eigentlich richtig gut entwickelt. Durchaus idyllisch.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Una hija más de la población.

Immer mehr werde ich Teil der Dorfgemeinschaft. Ich betrachte das als wichtigen Aspekt meiner Arbeit - solange ich nicht richtig dazugehöre, kann ich denen hier ja viel erzählen, und ein bisschen Einfluss will ich ja doch nehmen...
So langsam lerne ich also Namen und Gesichter. Das schwierige ist, dass mich alle sofort erkennen - hier in San Pedro steche ich mit meiner Barbiehaut durchaus hervor, und mich zwar freudig begrüßen, aber sich nie richtig vorstellen. Frage ich nach, kriege ich zwar den gesuchten Namen gesagt, aber dann auch noch gleich alle Verwandtschaftsverhältnisse erklärt, und ich bin so verwirrt, dass ich mir nichts mehr merken kann. Nicht dass ich nicht eh schon schwer damit beschäftigt wäre, statt "gafas" (Brille) "lentes" zu sagen, statt "coche" (Auto) "carro" und statt "chulo (cool) "chevere".

Gestern war es ganz schlimm, zum Dorffest anlässlich einer "Chicharronada" kamen auch noch Leute aus den umliegenden Dörfern nach San Pedro, und ich war komplett überfordert. Die Chicharronada, zu deutsch in etwa "Schweinerei", ist ein netter Brauch, um Familien in Not zu helfen. Ein Junge aus dem Dorf hat kürzlich einen Fuß verloren und die lausige Versicherung kommt nicht für die medizinische Versorgung auf (die ohnehin ein eigenes Kapitel ist - das Krankenhaus von Ica fiel beim letzten Erdbeben in sich zusammen und wurde durch eine Art permanentes Feldlazarett ersetzt, aus dem man kranker herauskommt, als man eingeliefert wird. Hoffentlich hol ich mir hier nie was ernstes).
Die betreffende Familien kocht dann also ein Schwein, alle kommen zusammen und müssen gegen eine Spende davon essen (ich als deutsche "Vege-was?" kam glücklicherweise mit der Spende allein davon). Dazu wird lautstark Cumbia aus der Musikbox und Fußball gespielt. Anschließend wird Bier getrunken (auch darum konnte ich mich drücken, war aber nicht ganz so einfach). Alles nicht so ganz mein Fall - der versprochene Tanz blieb leider aus, aber an sich eine fröhliche Angelegenheit, und für mich eine Primagelegenheit, mein Namensgedächtnis im fracaso (Scheitern) zu erleben... aber ich habe Hoffnung.

Ich bekomme auch immer mehr Besuch, die Leute fassen sehr schnell Vertrauen zu mir. Ich werde um psychologische Hilfe gebeten (Ay, mi hija...), auch die Kinder erzählen mir alle Sorgen, die teilweise durchaus inquietantes (beunruhigend) sind. Heute sollte ich ein psychologisches Gutachten über eines der Nachbarskinder erklären, das definitiv nicht in Dorf-Spanisch geschrieben war. Abends helfe ich bei Hausaufgaben, dann wird gespielt. Sogar zum Fußballspielen konnten sie mich bewegen, womit ich mir das besondere Vertrauen der kleinen Grecia erwarb, die mir dafür ihren Kaugummi schenken wollte, mit Vorkauservice...

Inzwischen darf ich mich auch ohne Stefania durch die Gegend bewegen (tagsüber zumindest), jetzt wo mich alle kennen und auf mich aufpassen. Hab heute eine kleine TiNi-Runde unternommen, auch und vor allem, um die vielen Absenzen der letzten Woche aufzuklären. Bevor ich irgendwas wichtiges anfange, muss ich mich nämlich erst mal darum kümmern, dass die Schüler auch zum Unterricht erscheinen. Das schönste Bildungskonzept nützt ja nichts, wenn es niemanden erreicht. Und am Freitag waren wir zu dritt.
Das Problem ist dieses, dass bei den Kids zuhause zahllose kleine Geschwister herumwuseln, und wenn beide Eltern auf dem Felde arbeiten, müssen die Größeren bei den Kleineren bleiben. Sind die Mütter zuhause, werden von den Kindern manche einbehalten, damit sie im Haushalt helfen. Reiskochen ist ja schließlich auch ein Skill, der erworben werden muss. Lesen und Schreiben... pfff. Nicht die besten Ausgangsbedingungen für mich. Ich habe mit den Größeren schon eine Einheit zum Wert von Bildung gemacht, aber ich fürchte, die Lektion ist nicht so richtig hängengeblieben.
Ein paar allerdings kommen regelmäßig und bitten mich sogar freiwillig um mehr Hausaufgaben und Übungen während der Pause. Ich beobachte, dass dieses Verhalten relativ direkt davon abhängt, wie ich die Kompetenzen der einzelnen Kinder betone und ihnen für die vollbrachten Leistungen Aufmerksamkeit schenke. In dieser Hinsicht ist es ganz gut, dass ich nie mehr als sechs Kinder auf einmal in meiner Klasse habe und mich sehr individuell kümmern kann - allerdings ist hier eine Klasse von Sechsen so anstrengend wie daheim eine von 30...

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Fotos!

Sooo, endlich ein paar Bilder, um den Eindruck auch piktorial zu unterstützen.
Von oben nach unten: Die Escuielita (winzige Schule) mit dem Patio (Schulhof) und gleichzeitig Zentrum des ganzen Dorfs.
Darunter die TiNi von Rosmery neben der Schule, gefolgt von der gestern vollzogenen Salaternte.
Meine Behausung im rechten der beiden Klassenzimmer, darunter ein Bild von der Umgebung: wo früher Huarango (endemische Baumart mit großartigem Feuerholz...) in großen Mengen wuchs, wurde fleißig gerodet und jetzt ist da Wüste. Mit allerdings sehr hübschen Dünen, die ich auf der heutigen TiNi-Runde erkunden konnte.
Würde gern auch noch ein paar Bilder von den anderen Häusern hier hochladen, um einen Eindruck von den Lebensumständen hier zu vemritteln, aber ich kann Blogspot im Moment von diesem Vorhaben nicht überzeugen... demnächst!




Dienstag, 4. Oktober 2011

Tierras de Ninyos

Bueno.. que sucede? Ich werde immer heimischer, fange schon an, auf Spanisch zu denken und wie die Leute hier zu reden. In meiner Gastfamilie bin ich zwar immer noch vor allem Gast, aber auch Tochter, und wir haben Sonntag einen schönen Geburtstagsvormittag in Carmens und Gilbertos Küche zugebracht, um im Anschluss Causa Rellena zu essen, eine Art Kartoffelkuchen mit Gemüse und Fisch drinnen.
Nachmittags war dann Kindergeburtstag mit Stefania und ihrem Enamorado, Torte und den Ninyos. Ich bekam Malvenblüten in die Haare gesteckt, musste die Torte austeilen und dann wurde getanzt und gespielt. Viel Gewusel, sehr erfrischend.

Am Samstag war TiNi-Runde. Die Tierras de Ninyos sind zentraler Bestandteil der Arbeit von ANIA. Jedes Kind soll sich um einen Blumentopf, einen kleinen Garten oder Acker kümmern, den es bepflanzen und gestalten kann, wie es will. Wir helfen beim Anlegen und Pflegen, und bei den wöchentlichen Besuchen sehen wir nach dem Rechten, Bestaunen und Animieren zum Weitermachen. Die älteren TiNis laufen super, neben heruntergekommenen Hütten wuchern da dschungelartige Bepflanzungen aus lauter Blumen und vereinzelten Nutzpflanzen aus dem kargen Boden.
Seit diesem Jahr gibt es auch TiNis in San Jacinto, dem Nachbardorf. Dort lebt man noch spartanischer als hier - um nicht das Wort ärmlich zu benutzen. Hier gibt es keinen elektrischen Brunnen, Strom kommt nur manchmal aus der Leitung. Die Felder werden mit dem Abwasser aus der Stadt bewässert. Schulkinder bleiben vormittags zuhause, weil sie auf ihre zahlreichen Geschwister aufpassen müssen. Jeder ist mit jedem irgendwie verwandt, nicht unbedingt auf die genetisch klügste Weise... So ist das da.
Die TiNis dort sind noch im Wachstum. Der Boden ist schwierig, weil salzig und trocken, die Disziplin mit der Pflege nicht bei allen gegeben...

Ich beobachte derweil noch hauptsächlich und bin noch nicht sicher, welche Rolle ich hier genau spielen soll bzw. will. Was man von mir erwartet, beschränkt sich im Moment darauf, den Unterricht zu forcieren und die TiNis zu bestaunen. Ist mir ein bisschen wenig, ich hab viele Ideen, weiß aber noch nicht, wie und wo sie sich sinnvoll applizieren lassen.
Hab jetzt mal angefangen und das undichte Klo repariert (Gracias a Ustedes por ser Ingeneurstochter und -exfreundin ;), nachdem ich ein paar mal die Überschwemmung aufgewischt habe. Bin sehr stolz darauf und sehe das als Metapher für einen sinnvollen Entwicklungsplan - man kann schon eine Weile mit Folgen kämpfen, aber noch besser beseitigt man die Ursachen...

Montag, 3. Oktober 2011

Contacto.

Im Fall der Emergencia hab ich jetzt ein Handy, das hier zu aller Überraschung nicht als móvil, sondern als celular, mit ausgeprägtem Seseo, bekannt ist. Die Nummer geht so: 0051 992899748.
Außerdem hab ich jetzt meinen eigenen Surfstick und kann jetzt auch Skypen, halt mit 7 Stunden Verspätung.

Wer mir was schicken möchte, darf das hierhin tun:
Jiovana Tipacti Aguada
Calle La Mar 1129
Ica

Das ist das Haus meiner Gastschwester in Ica. Nach San Pedro kommt keine Post. Wer mich besuchen will, fragt im Taxi nach San Pedro, und da bin ich dann schon gleich. Die Sandpisten hier haben keine Namen :)

Sonntag, 2. Oktober 2011

Adaptar.

Drei Tage in San Pedro. Vergehen sehr schnell, ich hab schon einiges gesehen und doch das Gefühl, dass es noch unglaublich viel mehr gibt.

Alles ist wunderbar einfach. Das Zentrum des Dorfs besteht aus der winzigen Schule mit ihren zwei Klassenzimmern (deren ich eines bewohne), der Capilla und ein paar Granjas, winzige gemauerte Hütten, mit Strohdächern, ein oder zwei Zimmer, Stall und corral, wo die Kühe, Mulis, die Pavos (Puten) und Hühner im Barro, dem Schlamm stochern, vereinzelt hat es Chanchas mit winzigen rosa-braunen Frischlingen. Im fünf kreischt der Hahn, um sechs beginnt der Tag, auch für mich - wegen der Zeitumstellung für mich leidenschaftliche Vormittagsschläferin aber bisher kein Problem.
Es gibt Strom, und auch Wasser, das muss aber vor Gebrauch abgekocht werden. In meiner Gastfamilie, bei Senyora Carmen, gibt es eine richtige Dusche mit elektrisch erhitztem Warmwasser, aber wenn man den Kopf darunter hält, kriegt man einen Schlag. Haarewaschen also kalt :)
Zur Schule gehören ein paar richtige Toiletten mit Spülung, die sind aber irgendwie immer überschwemmt und haben kein Licht. Nachts hab ich daher eine Plastikschüssel mit deren Inhalt ich morgens die kleinen Bäume auf dem Schulhof dünge. Urromantisch :)

Auch die Menschen sind sehr einfach. Wer studiert, geht weg. Ich habe die Kinder gefragt, ob sie Bücher zuhause haben - wussten sie nichts von.
Mangelnde Bildung wird allerdings mit Herzlichkeit und sehr liebenswürdiger Art wettgemacht. Alle sind neugierig, was die Alemana hier macht, und voll Ehrfurcht, wenn sie hören, dass ich Psychologin bin - ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich es gut finde, dass Stefania das immer gleich allen auf die Nase bindet. Dennoch kommen abends, wenn ich Licht in der Schule mache, Frauen und Kinder gelaufen, um nach mir zu sehen und zu plaudern. Die Männer pfeifen bisher nur und reden nicht viel, aber das wird bestimmt noch.

Die Schule ist superlinda, sehr einfach, ein paar Tische und Stühle, die bald auseinanderfallen, eine Reihe Schulbücher aus den 70ern neben ein paar vereinzelten ziemlich guten Neuauflagen, einige abgegriffene Spiele für die Pause, an den Wänden chaotisch zusammengewürfelte Schautafeln, no más. Die Kinder bringen Babyhunde in den Unterricht, dazu gesellen sich die Streuner von draußen, Fliegen und auch ein paar Pulgas, Flöhe :)
Die Ninyos sind großartig wild, laut und frech, aber unglaublich lieb, und öffnen sich mir schnell. Der Unterricht ist furchtbar. Die Lehrerin (eine einzige für 12 Kinder aller 6 Klassenstufen der Primaria) ist ihrrer Arbeit müde und vollkommen antriebslos, und versucht mich statt ihrer einzuspannen, wo es geht. Während ich am ersten Tag erstmal zuschauen wollte, sollte ich spontan gleich die Sportstunde halten, weil der Profesor de Fisica, der einmal die Woche kommt, nicht auftauchte... habe ein bisschen Yoga und Salsa aus dem Ärmel geschüttelt, während Profesora Pilar zusah. Auch die Kunststunde sollte ich gestalten, und weil der Unterricht mangels Vollzähligkeit der Kids eine halbe Stunde zu spät begann und die Pause mangels Initiatiative seitens Pilar ebenfalls verlängert wurde, fiel das letzte Fach, Comunicación, ganz aus. Am zweiten Tag ergriff ich die Initiative und unterrichtete Mathe und Comunicación für die Älteren und konnte feststellen, dass Automatismen wie Multiplizieren und Dividieren gut funktionieren, wenn auch kniffelige Textaufgaben und Rechtschreibung revisionswürdig sind. Pilar machte derweil ein bisschen Silbentraining mit den Jüngeren. Nicht sehr ambitioniert allerdings. Das wird mich noch aufregen...

Aber ich fühl mich ganz wohl. Will mich erstmal richtig eingewöhnen, bevor ich anfange, irgendwas umzukrempeln.
Morgen beginnt mit Stefania die Arbeit in den TiNis der Kids zuhause. Bin gespannt.

Mittwoch, 28. September 2011

Llegar.

Lima: Chaotisch. Laut. Abgase, die im Kopf schmerzen. Aber: sehr lieber Empfang durch Stefania, die Coordinadora der Tierra de Ninyos von San Pedro. Wir fahren im Taxi vom Flughafen im Stadtteil Callao nach La Molina, ewig, Lima ist riesig. Ich warte die ganze Zeit darauf, dass das hässliche Vorortchaos aus halbfertigen Wohnhäusern, provisorisch wirkenden Geschäften und vierspuriger Zubringerstraße sich lichtet, aber das passiert nicht. Lima ist überall so.
Später führt mich Stefania etwas herum und zeigt mir die Sights in Miraflores, ein im Verhältnis zur Größe der Stadt winziger Park mit einer Ausstellung von Papp-Dinos und Inkamarkt, die Municipalidad in einem halbwegs hübschen, dottergelben Gebäude mit Türmchen und eine Kirche, in deren Garten sich immerhin unzählige süße Kätzchen tummeln. Das gigantische Marriotthotel und das Einkaufsszentrum mit Blick auf den Pazifik, das hübsch wäre, wenn es kein Einkaufszentrum wäre. Wirklich sehenswert: die vielen VWs, Käfer und Bullis, unzählige, und ich erblasse vor Neid, als Stefania behauptet, dass man die hier für bloß 400 Dollar in die Tasche stecken kann. Wir hingegen fahren mit Microbussen - halsbrecherische Menschentransporte mit viel Gehupe und einem Jungspund an der offenen Tür, der den Passanten die Fahrtroute zuschreit. Sehr aufregend, wie Oktoberfestfahrgeschäftefahren, nur kostet der Spaß hier nur einen Nuevo Sol, ein viertel Euro.

Ich bin nicht sehr traurig, dass wir am nächsten Morgen früh gen San Pedro aufbrechen. In einem sehr sauberen und modernen Bus geht es auf der Panamericana nach Ica. Hinter Lima vereinzelt Favelas, sandige, kahle Berge und vieeel Müll. Die Berge immerhin, erklärt mir Stefania, sind natürlicherweise so kahl, weil es wenig Wasser gibt und der Bode zu salzig ist für Vegetation. Nicht wie anderso, wo durch Kahlschlag die Bodenerosion alle Nährstoffe mitnimmt.
Als wir uns Ica nähern, wird es hübscher, der Himmel klart auf und der Sonnenschein taucht den Sand in ein wesentlich besseres Licht. Erst vereinzelt, dann in großen Plantagen sieht man jetzt Pflanzen auf dem tröpfchenbewässerten Boden, Spargel, Baumwolle, Artischocken, alles für den Export.

Ica: nur halb so laut wie Lima und irgendwie sypathischer, nicht so bedrohlich. Allerdings falle ich hier wesentlich mehr auf, unter den Limenyos sind doch einige mit europäischem Aussehen. Fühle mich trotzdem ganz wohl, mit Stefania an der Seite sowieso.
In Ica holt uns gleich ein ein befreundeter Taxifahrer ab und bringt uns nach San Pedro, damit ich noch heute die Ninyos kennenlernen kann. San Pedro ist nicht weit von Ica, fünf Kilometer masomenos, aber über die Sandpiste mit den vielen baches, den Schlaglöchern, brauchen wir doch eine Weile. Die Ninyos empfangen mich sehr liebenswert und sind furchtbar neugierig. Ich werde von allen gleichzeitig sofort umarmt und auf die Wangen geküsst. Große dunkle Augen schauen mich neugierig an, als ich mich vorstelle.Es wird mir zugesichert, dass ich hier wie ein Tesoro, ein Schatz behandelt werden soll, wie eine Princesa, und dann wird festgestellt, dass ich wie eine rothaarige Barbie aussehe. Dann wird mir die TiNi, die Tierra de Ninyos gezeigt, jedes Kind hat hier sein eigenes Beet. Die sind großartig, mit riesigen bunten Blumen, deren spanische Namen ich nicht kenne, und es gibt ein großes Gemüsebeet mit Papas (Toffeln), Canya (Zuckerrohr), Remolacha (Roter Beete) Broccoli (Broccoli) und vielen anderen guten Dingen.
Hier wird es mir gefallen, seguramente.

Objetivos.

La gran Aventura beginnt. Sitze nach dem vielen traurig-schönen Abschiednehmen nun finalmente im Flieger nach Südamerika. Ein bisschen mulmig ist mir, es könnte ja soviel schiefgehen (und noch am Flughafen hab ich es fertiggebracht, Bordkarte und Reisepass beim Security Check zu verlieren), aber bei genauerer Betrachtung fallen mir nur ganz wenige Szenarien mit echtem Weltuntergangspotenzial ein, und es kann vor allem auch sehr viel sehr gut werden. Vorfreude schlägt Angst. Aber so richtig.

Peru ist für mich einfach der nächste schlüssige Schritt, zu mir selbst - einem unabhängigeren, erfahreneren und gelasseneren Selbst - zu mehr Öko, mehr Spanisch, mehr Südamerika und mehr ANIA. Wie oft hab ich von Regenwaldschutz und globalen Umweltproblemen gesprochen, ohne je dagewesen zu sein... Will doch mal sehen, ob Armut und Umweltschutz wirklich so schlecht zusammen gehen, wie die Skeptiker sagen. Ob es nicht doch vernünftige Modelle für eine umfassend und ganzheitlich nachhaltige Entwicklung gibt. Und ich will sehen, welche Rolle ich dabei spielen kann, ob ich so umfassend und ganzheitlich überhaupt schon denken kann. Will versuchen, ganz offen und mit möglichst wenig Illusionen hinzugehen. Dann wird sich schon alles fügen.