Donnerstag, 27. Oktober 2011

Sembrar!

Diese Woche hab ich meine erste TiNi fertiggestellt, für Marcos in San Jacinto. Das war viel einfacher als gedacht - meine Arbeit bestand hauptsächlich darin, die Leute dort zu animieren, jetzt endlich mal anzufangen. Das bisschen Erde schaufeln und Canya (Rohr) binden war dann garnicht schwer.
In der Erde, die wir vom Feld geholt haben (die Erde vor dem Haus ist "salitre", salzig, und für nichts zu gebrauchen) stecken jetzt Melonen-, Sonnenblumen-, Papaya- und Akaziensamen, ein paar Zitronenschößlinge, ein paar Samen deren Früchte ich zwar gegessen habe, aber an deren Namen ich mich nicht erinnern kann, und jede Menge Coqueta, ein einheimisches Kriechgewächs mit hübschen rosa Blüten und satten grünen Blättern, die viel Wasser speichern und wenig verdunsten.
Alles ist mit Canya und Malla (Gitter) gut gegen die Hühner geschützt, und Marcos hat hoch und heilig versprochen, regelmäßig zu gießen. Ich bin sehr gespannt und hoffe, dass es bald wie wild grünt und blüht. Nächste Woche kriegt Marcos sein Schild mit dem Namen der TiNi, und es wird offiziell eingeweiht.
Die Kinder haben beim Bauen tatkräftig "geholfen", in dem sie schreiend um die Erwachsenen herumgehüpft sind und sich um meine Kamera gestritten haben. Und beim Tiratierra-Spiel ("Wirf-mit-Erde") ist gelegentlich auch ein bisschen Erde an der richtigen Stelle gelandet. Freude und Eifer waren jedenfalls spürbar - obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob die TiNi-Idee bei allen schon so richtig angekommen ist. Vielleicht bring ich zur Einweihung nochmal die ANIA-Bücher mit, nochmal sanft auf die Mission hinweisen - wir hüten die Pflanzen und die Erde!

Freizeit fiel wegen den vielen Besuchen in San Jacinto die Woche etwas mager aus, aber am vergangenen Wochenende war ich bei Stefanias Familie in Ica. Samstags gab es Parilla (Barbacue) bei ihrem Bruder Polo mit jeder Menge Verwandtschaft, die mit jedem Glas Pisco immer lustiger wurde (abends bei Stefanias Freunden ging es mir dann ganz ähnlich, ist viel stärker als ich dachte, und ja, im Pisco Sour ist tatsächlich Eiklar drin). Sonntags waren wir bei Alfredo (Stefanias Enamorado) auf der Chacra seiner Familie. Das muss man sich ungefähr wie eine sehr hübsche, blütengeschmückte Hacienda mit einer weinbewachsenen Auffahrt vorstellen, umgeben von sehr vielfältigen Anpflanzungen von Baumwolle über Granatapfel bis Spargel. Am Horizont der Cerro, lärmende Ninyos wuseln einem um die Beine und springen kreischend im Wasserbecken herum, auf der Terasse sitzen dicke Agraringenieure und werden beim Verzehr mehrerer Hühner und Schweine immer dicker, untermalt mit einem wilden Mix aus Salsa, Reggeaton, internationalen Oldies, sogar Nena, und in einem Nebenraum sitzen die stillenden Frauen, schimpfen auf die Männer und finden es ganz unglaublich, dass ich ganz ohne Familie hierbin, und ganz allein, und noch garnicht verheiratet? Ja nee, sag ich dann, ich bin independiente, und ich bin hier um davon noch mehr zu lernen...

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Trabajar y Pasearse.

Ania - vorgezeichnet für die Kunststunde

Clase de Inglés - spärlich besucht, dafür aber eifrig bei der Sache

La TiNi de Yulissa mit dem schönen Namen "El Rosal de las Flores" - Rosen bewundern mit dem Palo in der Hand - hier beißen die Hunde...

Habe allmählich einen Lebens- und Arbeitsrhythmus gefunden, auch wenn hier ungefähr nichts vorhersehbar ist. Kommt vormittags jemand mit einem hübschen Pferd vorbeigeritten, oder einer der Drop-outs kommt 14-jährig und selbstverständlich lässig unbehelmt auf seinem Motorrad angefahren (dass er sich bei der Feldarbeit verdient hat, um meine Mädls aus der Sechsten zu beeindrucken) rennen schonmal alle kreischend raus, um diese Sensation zu begutachten.
Oder der Brunnen wird eingeschaltet und es müssen plötzlich alle Pflanzen in der TiNi gegossen werden, oder Carmens Hund Lobo kommt mich besuchen und springt mich so lange an, bis ich ihn mit dem Palo (Stock) drohe, und es ist für eine halbe Stunde unmöglich, irgendwie zu unterrichten. Man lernt: Gelassenheit.

Außerdem, wie schon angedeutet: Die Ninyos sind zwar sehr lindos (süß), wenn man mit ihnen spielt, aber bien dificil (ganz schön schwierig), wenn man ihnen was beibringen will. Schwer erschüttert war ich, als ich in meiner zweiten Woche hier entdecken musste, dass aus der ersten Woche NICHTS hängengeblieben war. Und das Lernen tut ihnen offenbar sehr weh, sie weigern und sträuben sich mit großem Fleiß dagegen... Stillhalten - was?, Melden - ähm...?. Die schönen und hochgelobten Unterrichtsformen, die ich gelernt habe, Gruppendiskussion - qué?, Paararbeit - hä?, habe ich bald aufgegeben. Das Vorwissen, das ich erwartet habe, ist nicht vorhanden, jeden Tag schraube ich meine Ansprüche ein Stück weiter runter. Man lernt: Geduld.

Thematisch habe ich mich, wie gesagt, erstmal auf das wesentliche konzentriert, Lesen, Schreiben, Rechnen, Grundlagen in Englisch, und ein bisschen Erziehung zu Werthaltungen (Gleichheit und Gerechtigkeit, Bildung wertschätzen), aber die sind schon recht schwierig für die Kids. Inzwischen habe ich auch angefangen, vormittags ein paar Umweltthemen einzuflechten: In Kunst haben wir die verdreckte Lagune gemalt und ein Herbarium-Memory angefertigt (das alte Memory wurde geklaut), in Ciencia y Ambiente (Wissenschaft und Umwelt) haben wir angefangen, einen Kompost für die TiNi zu bauen, und in Religion habe ich die Schöpfungsgeschichte behandelt, mit besonderem Fokus auf dem Gedanken des Bewahrens und der Verantwortung für die Erde. Letztere Einheit fiel auf sehr fruchtbaren Boden, und da fand ich auch ziemlich viel Vorwissen. Vielleicht nutze ich das öfter...
Zunächst hatte ich mich nämlich geweigert, Religion und zu unterrichten. Stattdessen hab ich erstmal das mit der Evolution erklärt. (Aber, puedes calmarte, Michi - hier gab es nie Hexenverfolgungen und auch der Glaube, dass alle rothaarigen Frauen mit dem Teufel im Bunde stehen, war hier nie verbreitet :)

Ansonsten hab ich mich diese Woche mehr vergnügt als gearbeitet - am Wochenende war ich endlich tanzen - wurde allerdings nur wenig Salsa aufgelegt, und zum Trinken gabs Whiskey mit Guaraná (fragwürdig...), aber ich hatte Spaß und Stefanias Freunde sind sehr nett. Auch wenn ich mich in San Pedro sehr wohl fühle und sich alle sehr lieb um mich kümmern - Waschbecken mit fließendem Wasser sind eine großartige Erfindung, und es tat auch gut, mal wieder mit studierten Leuten zusammenzusein.
Dann war eineinhalb Tage frei, weil der Senyor de Luren, der Schutzheilige von Ica, derzeit auf freiem Fuß in der Stadt unterwegs ist. Dann gehen alle raus um ihn anzugucken, dazu wird mit Kerzen gewedelt und wenn man ihn von vorne sieht, darf man sich was wünschen. Ungefähr wie Demo daheim, aber es wird nicht so rhythmisch skandiert, und der Sinn wird einem nicht so leicht ersichtlich...

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Más Fotos

Mehr Bilder: Oben die Laguna verde von San Pedro. Grün wegen dem vielen Algengewächs darin. Und was da außer den Enten sonst noch so drin rumschwimmt, will ich lieber garnicht wissen.
Ein Eindruck aus San Jacinto. Wenn das Erdbeben kommt, bricht hier jedenfalls nicht viel zusammen.

Nochmal San Jacinto, aber ein allgegenwärtiger Anblick: Müll, und Kinder, die ganz selbstverständlich darin spielen.
Der Weg zu mir ist ganz einfach. Von Ica aus einfach die Hauptstraße noch ein Stück nach Süden nehmen, San Pedro ist dann ausgeschildert (...not! :)
Meines Gastonkel Miguels Tiere. Ob sie gerne angebunden sind, weiß ich nicht, und etwas Wiese würde ihnen wahrscheinlich gefallen, aber sonst ganz vernünftige Tierhaltung. Im Hintergrund der Abort.
Miguels Haus von vorne - San Pedro ist im Vergleich zu San Jacinto eigentlich richtig gut entwickelt. Durchaus idyllisch.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Una hija más de la población.

Immer mehr werde ich Teil der Dorfgemeinschaft. Ich betrachte das als wichtigen Aspekt meiner Arbeit - solange ich nicht richtig dazugehöre, kann ich denen hier ja viel erzählen, und ein bisschen Einfluss will ich ja doch nehmen...
So langsam lerne ich also Namen und Gesichter. Das schwierige ist, dass mich alle sofort erkennen - hier in San Pedro steche ich mit meiner Barbiehaut durchaus hervor, und mich zwar freudig begrüßen, aber sich nie richtig vorstellen. Frage ich nach, kriege ich zwar den gesuchten Namen gesagt, aber dann auch noch gleich alle Verwandtschaftsverhältnisse erklärt, und ich bin so verwirrt, dass ich mir nichts mehr merken kann. Nicht dass ich nicht eh schon schwer damit beschäftigt wäre, statt "gafas" (Brille) "lentes" zu sagen, statt "coche" (Auto) "carro" und statt "chulo (cool) "chevere".

Gestern war es ganz schlimm, zum Dorffest anlässlich einer "Chicharronada" kamen auch noch Leute aus den umliegenden Dörfern nach San Pedro, und ich war komplett überfordert. Die Chicharronada, zu deutsch in etwa "Schweinerei", ist ein netter Brauch, um Familien in Not zu helfen. Ein Junge aus dem Dorf hat kürzlich einen Fuß verloren und die lausige Versicherung kommt nicht für die medizinische Versorgung auf (die ohnehin ein eigenes Kapitel ist - das Krankenhaus von Ica fiel beim letzten Erdbeben in sich zusammen und wurde durch eine Art permanentes Feldlazarett ersetzt, aus dem man kranker herauskommt, als man eingeliefert wird. Hoffentlich hol ich mir hier nie was ernstes).
Die betreffende Familien kocht dann also ein Schwein, alle kommen zusammen und müssen gegen eine Spende davon essen (ich als deutsche "Vege-was?" kam glücklicherweise mit der Spende allein davon). Dazu wird lautstark Cumbia aus der Musikbox und Fußball gespielt. Anschließend wird Bier getrunken (auch darum konnte ich mich drücken, war aber nicht ganz so einfach). Alles nicht so ganz mein Fall - der versprochene Tanz blieb leider aus, aber an sich eine fröhliche Angelegenheit, und für mich eine Primagelegenheit, mein Namensgedächtnis im fracaso (Scheitern) zu erleben... aber ich habe Hoffnung.

Ich bekomme auch immer mehr Besuch, die Leute fassen sehr schnell Vertrauen zu mir. Ich werde um psychologische Hilfe gebeten (Ay, mi hija...), auch die Kinder erzählen mir alle Sorgen, die teilweise durchaus inquietantes (beunruhigend) sind. Heute sollte ich ein psychologisches Gutachten über eines der Nachbarskinder erklären, das definitiv nicht in Dorf-Spanisch geschrieben war. Abends helfe ich bei Hausaufgaben, dann wird gespielt. Sogar zum Fußballspielen konnten sie mich bewegen, womit ich mir das besondere Vertrauen der kleinen Grecia erwarb, die mir dafür ihren Kaugummi schenken wollte, mit Vorkauservice...

Inzwischen darf ich mich auch ohne Stefania durch die Gegend bewegen (tagsüber zumindest), jetzt wo mich alle kennen und auf mich aufpassen. Hab heute eine kleine TiNi-Runde unternommen, auch und vor allem, um die vielen Absenzen der letzten Woche aufzuklären. Bevor ich irgendwas wichtiges anfange, muss ich mich nämlich erst mal darum kümmern, dass die Schüler auch zum Unterricht erscheinen. Das schönste Bildungskonzept nützt ja nichts, wenn es niemanden erreicht. Und am Freitag waren wir zu dritt.
Das Problem ist dieses, dass bei den Kids zuhause zahllose kleine Geschwister herumwuseln, und wenn beide Eltern auf dem Felde arbeiten, müssen die Größeren bei den Kleineren bleiben. Sind die Mütter zuhause, werden von den Kindern manche einbehalten, damit sie im Haushalt helfen. Reiskochen ist ja schließlich auch ein Skill, der erworben werden muss. Lesen und Schreiben... pfff. Nicht die besten Ausgangsbedingungen für mich. Ich habe mit den Größeren schon eine Einheit zum Wert von Bildung gemacht, aber ich fürchte, die Lektion ist nicht so richtig hängengeblieben.
Ein paar allerdings kommen regelmäßig und bitten mich sogar freiwillig um mehr Hausaufgaben und Übungen während der Pause. Ich beobachte, dass dieses Verhalten relativ direkt davon abhängt, wie ich die Kompetenzen der einzelnen Kinder betone und ihnen für die vollbrachten Leistungen Aufmerksamkeit schenke. In dieser Hinsicht ist es ganz gut, dass ich nie mehr als sechs Kinder auf einmal in meiner Klasse habe und mich sehr individuell kümmern kann - allerdings ist hier eine Klasse von Sechsen so anstrengend wie daheim eine von 30...

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Fotos!

Sooo, endlich ein paar Bilder, um den Eindruck auch piktorial zu unterstützen.
Von oben nach unten: Die Escuielita (winzige Schule) mit dem Patio (Schulhof) und gleichzeitig Zentrum des ganzen Dorfs.
Darunter die TiNi von Rosmery neben der Schule, gefolgt von der gestern vollzogenen Salaternte.
Meine Behausung im rechten der beiden Klassenzimmer, darunter ein Bild von der Umgebung: wo früher Huarango (endemische Baumart mit großartigem Feuerholz...) in großen Mengen wuchs, wurde fleißig gerodet und jetzt ist da Wüste. Mit allerdings sehr hübschen Dünen, die ich auf der heutigen TiNi-Runde erkunden konnte.
Würde gern auch noch ein paar Bilder von den anderen Häusern hier hochladen, um einen Eindruck von den Lebensumständen hier zu vemritteln, aber ich kann Blogspot im Moment von diesem Vorhaben nicht überzeugen... demnächst!




Dienstag, 4. Oktober 2011

Tierras de Ninyos

Bueno.. que sucede? Ich werde immer heimischer, fange schon an, auf Spanisch zu denken und wie die Leute hier zu reden. In meiner Gastfamilie bin ich zwar immer noch vor allem Gast, aber auch Tochter, und wir haben Sonntag einen schönen Geburtstagsvormittag in Carmens und Gilbertos Küche zugebracht, um im Anschluss Causa Rellena zu essen, eine Art Kartoffelkuchen mit Gemüse und Fisch drinnen.
Nachmittags war dann Kindergeburtstag mit Stefania und ihrem Enamorado, Torte und den Ninyos. Ich bekam Malvenblüten in die Haare gesteckt, musste die Torte austeilen und dann wurde getanzt und gespielt. Viel Gewusel, sehr erfrischend.

Am Samstag war TiNi-Runde. Die Tierras de Ninyos sind zentraler Bestandteil der Arbeit von ANIA. Jedes Kind soll sich um einen Blumentopf, einen kleinen Garten oder Acker kümmern, den es bepflanzen und gestalten kann, wie es will. Wir helfen beim Anlegen und Pflegen, und bei den wöchentlichen Besuchen sehen wir nach dem Rechten, Bestaunen und Animieren zum Weitermachen. Die älteren TiNis laufen super, neben heruntergekommenen Hütten wuchern da dschungelartige Bepflanzungen aus lauter Blumen und vereinzelten Nutzpflanzen aus dem kargen Boden.
Seit diesem Jahr gibt es auch TiNis in San Jacinto, dem Nachbardorf. Dort lebt man noch spartanischer als hier - um nicht das Wort ärmlich zu benutzen. Hier gibt es keinen elektrischen Brunnen, Strom kommt nur manchmal aus der Leitung. Die Felder werden mit dem Abwasser aus der Stadt bewässert. Schulkinder bleiben vormittags zuhause, weil sie auf ihre zahlreichen Geschwister aufpassen müssen. Jeder ist mit jedem irgendwie verwandt, nicht unbedingt auf die genetisch klügste Weise... So ist das da.
Die TiNis dort sind noch im Wachstum. Der Boden ist schwierig, weil salzig und trocken, die Disziplin mit der Pflege nicht bei allen gegeben...

Ich beobachte derweil noch hauptsächlich und bin noch nicht sicher, welche Rolle ich hier genau spielen soll bzw. will. Was man von mir erwartet, beschränkt sich im Moment darauf, den Unterricht zu forcieren und die TiNis zu bestaunen. Ist mir ein bisschen wenig, ich hab viele Ideen, weiß aber noch nicht, wie und wo sie sich sinnvoll applizieren lassen.
Hab jetzt mal angefangen und das undichte Klo repariert (Gracias a Ustedes por ser Ingeneurstochter und -exfreundin ;), nachdem ich ein paar mal die Überschwemmung aufgewischt habe. Bin sehr stolz darauf und sehe das als Metapher für einen sinnvollen Entwicklungsplan - man kann schon eine Weile mit Folgen kämpfen, aber noch besser beseitigt man die Ursachen...

Montag, 3. Oktober 2011

Contacto.

Im Fall der Emergencia hab ich jetzt ein Handy, das hier zu aller Überraschung nicht als móvil, sondern als celular, mit ausgeprägtem Seseo, bekannt ist. Die Nummer geht so: 0051 992899748.
Außerdem hab ich jetzt meinen eigenen Surfstick und kann jetzt auch Skypen, halt mit 7 Stunden Verspätung.

Wer mir was schicken möchte, darf das hierhin tun:
Jiovana Tipacti Aguada
Calle La Mar 1129
Ica

Das ist das Haus meiner Gastschwester in Ica. Nach San Pedro kommt keine Post. Wer mich besuchen will, fragt im Taxi nach San Pedro, und da bin ich dann schon gleich. Die Sandpisten hier haben keine Namen :)

Sonntag, 2. Oktober 2011

Adaptar.

Drei Tage in San Pedro. Vergehen sehr schnell, ich hab schon einiges gesehen und doch das Gefühl, dass es noch unglaublich viel mehr gibt.

Alles ist wunderbar einfach. Das Zentrum des Dorfs besteht aus der winzigen Schule mit ihren zwei Klassenzimmern (deren ich eines bewohne), der Capilla und ein paar Granjas, winzige gemauerte Hütten, mit Strohdächern, ein oder zwei Zimmer, Stall und corral, wo die Kühe, Mulis, die Pavos (Puten) und Hühner im Barro, dem Schlamm stochern, vereinzelt hat es Chanchas mit winzigen rosa-braunen Frischlingen. Im fünf kreischt der Hahn, um sechs beginnt der Tag, auch für mich - wegen der Zeitumstellung für mich leidenschaftliche Vormittagsschläferin aber bisher kein Problem.
Es gibt Strom, und auch Wasser, das muss aber vor Gebrauch abgekocht werden. In meiner Gastfamilie, bei Senyora Carmen, gibt es eine richtige Dusche mit elektrisch erhitztem Warmwasser, aber wenn man den Kopf darunter hält, kriegt man einen Schlag. Haarewaschen also kalt :)
Zur Schule gehören ein paar richtige Toiletten mit Spülung, die sind aber irgendwie immer überschwemmt und haben kein Licht. Nachts hab ich daher eine Plastikschüssel mit deren Inhalt ich morgens die kleinen Bäume auf dem Schulhof dünge. Urromantisch :)

Auch die Menschen sind sehr einfach. Wer studiert, geht weg. Ich habe die Kinder gefragt, ob sie Bücher zuhause haben - wussten sie nichts von.
Mangelnde Bildung wird allerdings mit Herzlichkeit und sehr liebenswürdiger Art wettgemacht. Alle sind neugierig, was die Alemana hier macht, und voll Ehrfurcht, wenn sie hören, dass ich Psychologin bin - ich bin mir allerdings nicht sicher, ob ich es gut finde, dass Stefania das immer gleich allen auf die Nase bindet. Dennoch kommen abends, wenn ich Licht in der Schule mache, Frauen und Kinder gelaufen, um nach mir zu sehen und zu plaudern. Die Männer pfeifen bisher nur und reden nicht viel, aber das wird bestimmt noch.

Die Schule ist superlinda, sehr einfach, ein paar Tische und Stühle, die bald auseinanderfallen, eine Reihe Schulbücher aus den 70ern neben ein paar vereinzelten ziemlich guten Neuauflagen, einige abgegriffene Spiele für die Pause, an den Wänden chaotisch zusammengewürfelte Schautafeln, no más. Die Kinder bringen Babyhunde in den Unterricht, dazu gesellen sich die Streuner von draußen, Fliegen und auch ein paar Pulgas, Flöhe :)
Die Ninyos sind großartig wild, laut und frech, aber unglaublich lieb, und öffnen sich mir schnell. Der Unterricht ist furchtbar. Die Lehrerin (eine einzige für 12 Kinder aller 6 Klassenstufen der Primaria) ist ihrrer Arbeit müde und vollkommen antriebslos, und versucht mich statt ihrer einzuspannen, wo es geht. Während ich am ersten Tag erstmal zuschauen wollte, sollte ich spontan gleich die Sportstunde halten, weil der Profesor de Fisica, der einmal die Woche kommt, nicht auftauchte... habe ein bisschen Yoga und Salsa aus dem Ärmel geschüttelt, während Profesora Pilar zusah. Auch die Kunststunde sollte ich gestalten, und weil der Unterricht mangels Vollzähligkeit der Kids eine halbe Stunde zu spät begann und die Pause mangels Initiatiative seitens Pilar ebenfalls verlängert wurde, fiel das letzte Fach, Comunicación, ganz aus. Am zweiten Tag ergriff ich die Initiative und unterrichtete Mathe und Comunicación für die Älteren und konnte feststellen, dass Automatismen wie Multiplizieren und Dividieren gut funktionieren, wenn auch kniffelige Textaufgaben und Rechtschreibung revisionswürdig sind. Pilar machte derweil ein bisschen Silbentraining mit den Jüngeren. Nicht sehr ambitioniert allerdings. Das wird mich noch aufregen...

Aber ich fühl mich ganz wohl. Will mich erstmal richtig eingewöhnen, bevor ich anfange, irgendwas umzukrempeln.
Morgen beginnt mit Stefania die Arbeit in den TiNis der Kids zuhause. Bin gespannt.