Mittwoch, 23. November 2011

Vivan las flores!

Etwas ganz Wunderbares ist passiert. Als ich heute in San Jacinto war, um die letzte Woche neu angelegte TiNi von Leslie und Lidia zu begutachten, fand ich vor Marcos Haus seine TiNi, wiederaufgebaut, von seiner Mama. Hat wohl geholfen, dass ich meine Enttäuschung über den fiesen Abriss des Gartens nur schlecht verborgen habe :) Die Samen, die ich geschenkt hatte, sind zwar verloren, aber die Mama hat einen hübschen Zierbaum gekauft, und morgen bring ich neue Coquetas.
Ich freu mich sehr. Wenn die Leute ihre Gärten jetzt selbst bauen, und sogar darin investieren, steigt wohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auch längerfristig darum kümmern.

Auch bei Leslie und Lidia war noch alles in Ordnung, was mich ebenfalls freudig überrascht hat - der erste Versuch bei den beiden viel den gewalttätigen Geschwisterkinder zum Opfer. Die neue Version hat keine Tür, sondern eine Einstiegstreppe und ist damit relativ kindersicher, und die Seitenwände bestehen aus zwei alten Türen, die wir tief in die Erde gegraben haben und mit Palos (Stöcken) gestützt werden. Hat also die erste Woche überlebt, und wir haben alles schön bunt angemalt. Ich mach die Ninyos schön langsam zu richtigen Blumenkindern :) Viel gepflanzt haben wir allerdings dort noch nicht, weil ich befürchte, dass wir noch die Erde tauschen müssen, da wo die Kids gegossen haben, bilden sich weiße Ränder, Salz, vermute ich, und da wächst dann nicht viel.

Die UNO hat den Kindern Laptops geschenkt, diese kleinen weiß-grünen Dinger aus dem One-Laptop-per-Child-Programm. Wir haben allerdings nur vier für die ganze Schule bekommen, aber das reicht auch, meines Erachtens. Man sollte ja eigentlich meinen, dass die, die wenig besitzen, diesen ihren Besitz besonders wertschätzen. Bei den meisten hier ist dem nicht so - alles, was ich den Kindern schenke, hält keine Woche durch, ohne kaputtzugehen. Manche verlieren täglich einen Bleistift. Auch meine Großen sind Meister der Tollpatschigkeit, wobei ich nicht weiß, ob sie ihre Sachen nicht manchmal absichtlich runterwerfen, weil ihnen das mehr Spaß macht, als die Stifte ihrer eigentlichen Bestimmung, dem Schreiben, zuzuführen. Ich bin sehr gespannt, wie lange diese Laptops durchhalten.
Jedenfalls haben wir ab jetzt jeden Mittwochmorgen Computación, das ist ganz lustig, und die Kids wollen garnicht mehr aufhören. Was ein bisschen nervig ist. Bruchrechnen, Bäume pflanzen und Denken kann man nämlich auf den Dingern nicht so gut lernen.

Achja, und ich lerne Quechua. Milenias Familie kommt aus den Bergen, wo das noch gesprochen wird. Milenia will Lehrerin werden, und darf sich jetzt gelegentlich als Profesora de Quechua profilieren. Klingt wild und ist schwer zu merken, aber spannend. Imaynayan, allinchu cachquanqui!

Dienstag, 15. November 2011

Logros, Fallos, y más Pensamientos.

Von Marcos TiNi ist nichts mehr übrig. Seine Mama hat alles ausgerissen, weil sie den Platz für die dumme Taufe ihres Sohnes gebraucht hat. iQue rabia!
Um mich zu beruhigen, habe ich noch am Tag der Entdeckung dieses Frevels einen Baum in die Schul-TiNi gepflanzt, Durasno (eine Art Aprikose). Er lässt die Blätter ein bisschen hängen, aber ich hoffe, er kommt durch.

Und es sind auch erfreuliche Dinge geschehen:
die Compostaje ist fertig, und bei der Auftaktstunde zu meiner Umweltdetektive-Spezial-Unterrichtsreihe für die Großen hab ich einiges Wissen über umweltfreundliches Verhalten zumindest theoretisch vorgefunden. Auch die Einstellung, dass Umwelt etwas Schützenswertes ist, stimmt schon - konkrete Umsetzung fehlt noch.



Mittwoch, zweite Stunde: Bäume umarmen:

Habe gelernt, mich über sehr kleine Fortschritte zu freuen, die die Kinder machen, und bin viel gelassener geworden (wie sonst Ruhe bewahren, wenn in der Mathestunde zwei Klassenstufen ihre jeweiligen Aufgaben nicht verstanden haben, weil sie nicht zugehört haben, ein zweijähriges Geschwisterkind das Klassenzimmer auseinandernimmt und ein anderes vor der Tür auf den Boden kackt, während zu alledem ein winziger, mitgebrachter Hund laut kläffend nach meinem Rocksaum schnappt). Aber neben den Erwartungen an die Kids habe ich auch meine Forderungen an mich selbst etwas gemäßigt. Die Verhältnisse sind, wie sie sind, teils gar gräulich - aber ich kann nicht mit einem Fingerschnippen die Welt auf den Kopf stellen, zumal ich in der Schule vielleicht 5 Kinder habe, auf die ich richtig Einfluss habe. Ich kann allerdings mit einem Spaten eine TiNi bauen und mit den Kids die ANIA-Geschichte lesen und einen Aktionstag zum Recycling für das Dorf machen. Und das ist auch schon was.

Und wie sollte ich Grünschnabel auch sofort wissen, wie man dieses Land am besten entwickelt? Wenn das so einfach wäre, wären ja wohl schon andere drauf gekommen...
Willy, der Taxifahrer, sagt, es wäre alles kein Problem, wenn die oben nicht so viel für sich einstecken würden der Staat mal richtig durchgreift. Don Gilberto dagegen erzählt, dass es nach der Agrarreform keine zehn Jahre vergangen sind, bis die Verhältnisse waren wie vorher - ein paar Leute mit viel Land, und viele Leute ohne Land, weil sie ihren Teil runtergewirtschaftet hatten und verkaufen mussten. Luchos knappe Antwort auf die Frage, was seiner Meinung nach entscheidend für die Entwicklung seines Landes sei: "Que el peruano deje de ser vago y flojo", dass der Peruaner aufhört, dumm und faul zu sein.
Willy anderseits sagt auch, dass in der Vorzeigestadt Arequipa eine ganz andere Mentalität herrscht - wenn man Müll fallen lässt, wird man darauf hingewiesen - Entschuldigung, sie haben wohl was verloren?
Development is about changing peoples minds, hab ich irgendwo gelesen und fand es sehr klug - aber sowohl über das wie, und auch das wohin dieses Wandels bin ich mir immer noch unsicher.

Werden die Kinder jemals wirklich verstehen, dass der Müll hässlich ist, wenn ich hier 6 Monate lang von sauberer Umwelt schwärme, während bei ihnen daheim ihr ganzes Leben lang worst practice geschieht, wenn der Dreck für sie so normal ist, dass es sie bis dato nie gestört hat?
Ay caramba.

Dienstag, 8. November 2011

Duendes espinosos.

Ayacucho hat mich sehr erfrischt, und danach nach San Pedro zurückzukehren, war schon ziemlich wie nach Hause kommen. Die Kids hatten schon Angst, ich wäre in den Bergen bei anderen Ninyos geblieben. Zur Beruhigung haben wir die Woche mit einer Exkursion ausklingen lassen, zum Sähen bei einer Tante von Milenia, meiner Lieblingsschülerin; in ihrer TiVi sozusagen (Tierra de Vieja). Anschließend gings zum Brunnen, um dort die Kunststunde zu halten, Kobolde basteln aus Naturmaterialien. Kam gut an, aber die Kakteen hier haben fiese Stacheln.



Ansonsten bauen wir weiter an unserem Kompost, der schön bunt wird und diese Woche fertig werden soll, gestern haben wir zivilisiert streiten gelernt, und die Kinder haben mich von sich aus in ein Gespräch über Höflichkeit und vernünftige Erziehung verwickelt. Profesora, warum sagst du immer bitte, und danke? Was, deine Eltern haben dich nie geschlagen? Warst du denn nie malcriada (ungezogen)? Ich glaube, so ein bisschen haben sie verstanden, dass es gut ist, amable (nett) zueinander zu sein. Was ganz Neues hier, Lexmy aus der Zweiten kann das Wort "Disculpa" (Entschuldigung) nichtmal richtig aussprechen. Und am Beispiel Leslie aus der Sechsten sieht man perfekt, wie sich Mutters gewaltsamer Erziehungsstil darin abbildet, wie sie ihre kleinen Geschwister behandelt. Ich kann ihr im Good Behaviour Game garnicht genug Punkte abziehen... ein einfaches Verstärkersystem reicht in ihrem Fall ganz offenbar nicht aus. Ideas, anyone?
Bisher hab ich noch die "Gute-Beispiel-Methode" probiert. Wenn die Kleinen heulen, nehm ich sie in den Arm und singe, anstatt sie zu hauen. Erfolgswahrscheinlichkeit ist ungefähr die gleiche...

Vor lauter Persönlichkeits- und Umweltbildung kommen wir allerdings lamentablemente im Rechnen, Schreiben und Englisch nicht so gut voran. Ich habe für mich beschlossen, dass ich zur Not darauf verzichten kann, dass die Kinder rechnen können, wenn sie sich nur umweltgerecht verhalten, und nachdem mir eh keiner beim Unterrichten zuschaut, mache ich mit meinen Großen jetzt jeden Tag Projektstunde. Das macht mir und denen mehr Spaß, aber ein bisschen mulmig ist mir schon dabei - ich will doch auch Multiplikatoren schaffen, und wer nimmt jemanden ernst, der nicht vernünftig Prozentrechnen kann und nichts von Evolution weiß? Nicht dass ich das nicht durchnehmen würde, aber ich muss jede Lektion bei den Kids dreifach enkodieren, bis bei denen irgendwas ins Langzeitgedächntnis wandert...

Was sonst noch geschah: Am Wochenende war ich in Ica, Luchos Familie hatte mich zu sich eingeladen. Um die interessante Deutsche im Haus zu haben und um Stefania zu entlasten, die zwecks Nierensteinen und Gastritis (über das nicht allzu leichte Essen hier an der Costa wird es wohl mal ein Extrakapitel geben) nicht so fit ist.
Ich durfte mit Schwester Milagros kochen und backen (Kartoffelgratin und echte Schwarzwälder Kirschtorte), in peruanisch-deutscher Kooperation mit regionalen Zutaten interessant, aber zufriedenstellend, und wurde von Papa Jorge intensiv zu all meinen Ansichten in wilde, aber angenehme Diskussionen verwickelt, Todesstrafe und Freizügigkeit und so. In Deutschland gibt es doch so viele Nudisten? Uii, spannendes Terrain :D
Ich traf auf konträre Meinungen, aber ziemlich viel Offenheit und Toleranz.
Nachdem ich in den ersten Wochen sehr bedacht auf meine Akzeptanz hier war, bin ich jetzt wesentlich sicherer geworden und getraue mich auch, die Probleme im Land anzusprechen, mindestens die, die ich vor Augen habe. Es fehlt so vielen an Umweltbewusstsein, und in direkter Konsequenz ergibt sich daraus das doch recht dreckige Stadtbild von Ica mit den tausend stinkenden Mototaxis und dem knappen Wasser, das dennoch oft vollkommen sinnlos laufengelassen wird. Es mangelt bei so vielen an Bildungsfähigkeit, oft aus Familientradition, was die vielen Menschen auf der Straße erklärt, die Kriminalität, die Frauen, die aus Abhängigkeit ihre gewalttätigen oder untreuen Ehemänner nicht verlassen können. iQué feo!, und das sag ich auch so. Der Blick der weißen Frau ruht auf euch und soll euch nur recht im Nacken prickeln, wenn ihr so weitermacht.

Mittwoch, 2. November 2011

Ayacucho.

Nach der fleißigen letzten Woche habe ich mir ein langes Wochenende Urlaub in den Anden gegönnt- nach einem Monat Costa muss ich jschließlich des Blogs Namen mal gerecht werden. Lucho, ein Freund Stefanias, den sie mir als vertrauensvollen Reisebegleiter genehmigt hatte, hatte mich eingeladen, ihn zu seiner ehemaligen Arbeitsstelle in Huanta, Ayacucho zu begleiten.

Donnerstagnacht also Hinreise im bequemen Langstreckenreisebus, acht Stunden Panamericana und gewundene Bergstraßen. Lucho ist ein kleiner, kluger Peruaner mit nachdenklichen schwarzen Augen, dem es wie nur wenigen hier gefällt, wenn man sich Gedanken macht, und der auch schonmal was von Sostenibilidad hat reden hören, und so geht die erste Hälfte der Fahrt recht fix vorbei. An den Rest kann ich mich nur schwer erinnern, denn Lucho ist außerdem Arzt und gibt mir um Mitternacht ein Schlafmittel, damit ich garnicht erst auf die Idee komme, Übelkeit oder Höhenkrankheit zu verspüren. Nach anfänglicher Skepsis bin ich dann doch ganz froh darum, denn als ich einmal kurz aufwache, kann ich nicht nur die sich nächtlich auftürmenden Andenkämme im Mondschein bewundern, sondern auch den Mitreisenden bei der Widergabe ihrer Abendmahlzeit zuhören. Ich verzichte also auf die Aussicht und schlafe bis zur Ankunft durch.

In Huanta beziehen wir eine sehr hübsche Hospedaje mit Orangenbaum und riesigen Christsternen, schööönem sauberem Bad und dem obligatorischen Fernseher (bah! das peruanische Programm ist so furchtbar wie allgegenwärtig) und schlafen erstmal den verbliebenen Schlafmittelrausch aus. Frühstück in der Markthalle, die wie ein winziges uriges Kaufhaus ist, in dem jeder Laden ungefähr 5 Kubikmeter misst, so voll mit Waren ALLER Art, dass noch ganz genau eine kleine hutzelige Verkäuferin mit ihrem runden schwarzen Hut und ihrer weißen bestickten Schürze darin Platz hat. Manchmal passt auch noch ein bunt eingewickeltes Baby hinein. Ja, und dort kauft man dann frischen Papayasaft mit Milch und Zucker und Honig und Keke, süßen fluffigem Kuchen, das ist sehr lecker und halbwegs gesund, und kostet fünf Nuevos Soles, also fast nichts.
Nach diesem wunderbaren Frühstück besuchen wir die Posta, so eine Art Ärztezentrum, in der Lucho sein PJ gemacht hat. Seine Freunde dort sind sehr lustig und finden es ziemlich spannend, dass eine Gringuita sie besuchen kommt. Nachdem hier nur bis mittags gearbeitet wird, spazieren wir alle zusammen durch die Stadt, zur Plaza de Armas. Jede Stadt in Peru hat eine Plaza de Armas, ein herausgeputztes quadratisches Plätzchen mit wahlweise Brunnen, Statue oder Obelisk in der Mitte, das ist für die Orientierung sehr gut. Huanta ist kleiner, etwas sauberer, und ruhiger als Ica (aber immer noch laut und stickig!) und trotz der Höhe auf 2800 Meter schön warm, weil sonnig und von Bergen umschlossen. Trotzdem muss man hier Regen kennen, denn die Straßen haben Rinnen und die Häuser richtige, geneigte Dächer. Besonders viel sehenswertes gibt es in der Stadt selbst nicht, aber dafür die wunderbaren Anden rundherum.
Abends betrinken wir uns mit den Kollegen beim Kartenspiel, Golpeao, bei dem ich mich garnicht ungeschickt anstelle, und tanzen in der einzigen Disko im Ort, Waino, Saia, Cumbia, die Tänze der Region. Nicht allzu spannend, etwas eintönig sowohl in Musik als auch Schrittfolge.

Am nächsten Tag vertritt Lucho den nicht anwesenden Arzt in der Posta, was mir Zeit gibt, mich alleine in Huanta zu verlaufen. Ich bin weit und breit die einzige Gringa und finde auf dem Markt auch keinen passenden Hut um mein Hexenhaar zu verstecken, aber die Menschen sind lieb zu mir und erklären mir aufwändig und freundlich jeden Weg. Dabei ist es allerdings nicht unbedingt hilfreich, dass in den Bergregionen statt der international gängigen Termini "links" und "rechts" als Richtungsangaben "nach oben" und "nach untern" verwendet werden. Aber ich schlage mich durch. Ha. Den Nachmittag verbringen wir in einem Recreo, einem Ort außerhalb der Stadt, in dem unter schattenspendenen einheimischen Bäumen hölzerne Sitzgarnituren stehen und mit Saia beschallt werden, und man wird mit regionalen Spezialitäten bewirtet. Ich esse Trucha, einen Lachsartigen Fisch, der hier gezüchtet wird, natürlich mit Aji (scharfer Soße), Camote (Süßkartoffel) und Chicha morada (punschähnliches Gebräu aus rotem Mais, unglaublich lecker und erfrischend).

Sonntag fahren wir in den Bergen herum, nach Quinoa. Das ist ein besonderes Abenteuer, einmal weil ich erstmalig bei Tag und im Wachzustand die wunderschöne Sierra begutachten kann, und dann weil das Reisen zwischen den Bergdörfern wunderbar aufregend ist. Während man sich in der Stadt am besten mit Mototaxis fortbewegt, dreirädrigen Kabinen mit ungefiltertem Zweitaktmotor, reist man zwischen den Orten im Colectivo, richtigen Autos, die am Ausgang der Stadt warten, bis genügend Passagiere für die Pasaje zusammen sind (genügend heißt: bis das Auto voll ist, also mindestens 6, mit Kofferaum auch gerne 9 Personen). Dann geht es los, und es ist wie kaputte montanya rusa (Achterbahn) zwecks der vielen Kurven (vom Straßenverlauf so vorgesehen oder vom Erdrutsch so erzwungen) und Schlaglöcher, mit super Panorama. Karge, rötliche Felsen, flache Vegetation, staubige Kakteenwälder, schroffe Klippen, auf der Fahrbahn gelegentlich schwarze Schweine und fleckige Kühe, daneben hin und wieder ein Weiler mit winzigen Lehmhütten und ein paar Cultivos. Bei der Ankunft bezahlt man ein paar Soles, bekreuzigt sich noch einmal (so wie schon bei Antritt der Fahrt) und freut sich seines Lebens. Während ich bei der Hinfahrt an diesem Tag mit Gucken so beschäftigt war, war die Rückfahrt dann doch ein bisschen stressig für mich und mein Mittagessen - noch in der selben Nacht trennten wir uns voneinander. Schade eigentlich, denn es war leckeres Quinoa gewesen, ein Getreide, das in den Anden und im gleichnamigen Dorf wächst und einen für gewöhnlich gut bekömmlichen Eintopf abgibt.
Quinoa ist aber vor allem für seine Artesanía bekannt, die Handwerkskunst, und in dem kleinen Städtchen gibt es alles, was das Touristenherz begehrt. Auf jedem Häuschen thront ein kleines tönernes Kirchlein, dass das Gebäude vor dem Einsturz bewahren soll. Desweiteren gibt es Krippen und heilige Figürchen in allen möglichen Ausführungen, vor allem aber in bunter Andentracht. Dann natürlich bunte Strickwaren aus Alpakawolle, von der ich endlich den schönen bunten Pulli erwerbe, der mir auf dem Tollwood immer zu teuer war (hier: 32 Soles nach dem Handeln, 8 Euros). Und ich kaufe eine Kena, eine sehr simple traditionelle Flöte. Vier von sechs Löchern kann ich schon schöne Töne entlocken, wobei mir die Logik der Griffweise noch immer ein Rätsel ist.
Wir klettern hinauf zum Denkmal der Schlacht von Ayacucho, wo sich in alter Zeit die Unabhängigkeit Lateinamerikas entschieden hat, ein wenig ansehnlicher, dafür riesiger weißer Obelisk, weithin Sichtbar in ganz Ayacucho. Más allá in ein Tal hinein gibt es einen groß gepriesenen Wasserfall, zu dem wir uns von schlecht genährten, aber unglaublich trittsicheren und sehr geduldig Pferden tragen lassen. Unterwegs knüpft uns eine Andenfrau einen Sol für "Mantenimiento" (Erhalt) der Umgebung ab - trotzdem ist der Bach ziemlich zugemüllt. Aber vielleicht kaufen sie von dem Geld irgendwann noch mehr von den Basureros (Mülleimern), die keiner zu benutzen scheint... ich plantsche dennoch ein bisschen mit den Füßen im Wasser, schieße ein Foto vom Wasserfall und kriege davon Hunger auf Kuchen. Den gibt es in Huamanga, wohin uns eine weitere Höllenfahrt bringt, und es ist tatsächlich "Selva Negra", Schwarzwälder Kirschtorte! Gustatorisch aber Welten entfernt von deinem, Mama :)



Zum Abendessen gibt es Pan Chapla, Brot ohne Herz, mit Bergkäse. Sehr lecker, aber wie bereits erwähnt, muss ich das mit der Verdauung am nächsten Morgen nochmal erneut versuchen. So halbwegs mit Nährstoffen versorgt versuchen wir es heute mit einem neuen Wasserfall, von Huanta aus zu Fuß. Dabei sehen wir die kleinen Bergdörfchen mit ihren Lehmhüttchen, Felderchen und Haustierchen von nahem, und alles ist sehr klein und sehr wild und recht idyllisch, wenn, ja wenn die Menschheit niemals je den Kunststoff und den damit verbundenen Kunststoffmüll erfunden hätte. Bäh.
Auch diese Gegend hat Geschichte, die Bewohner erinnern sich noch gut an den Terrorismus, der in den Bergen sehr ausgeprägt war. Lucho erzählt, dass er einmal mit einem Kopftuch gegen die Sonne und dunklen Brillengläsern durch die Gegend kam, was blankes Entsetzen ausgelöst hat...

Der anstrengende Aufstieg lohnt sich, der Wasserfall ist muy bonito, eiskalt, und wenn man darunter steht sieht man überall Regenbögen. Glücklichweise scheint die Sonne noch lange genug, um uns zu trocknen, dann kündigt sich der Regen an und wir rutschen den lehmigen Weg zurück nach Huanta.





Am letzten Tag sind wir in Huamanga, der größten Stadt Ayacuchos, was man vom Mirador hoch über der Stadt fein begutachten kann. Dort gibt es außerdem frisch gemachtes Eis aus Milch, Maní (noch so ein Körnerzeug) und Zucker, was ein bisschen sonderbar, aber hauptsächlich süß schmeckt.
Bei einer Partie Inka-vs-Spanier-Schach verabschiedet sich die Sonne von meinem Urlaub und der Rest ist chemisch induzierter Tiefschlaf...