Montag, 26. März 2012

Resumen.




Die letzte Woche war schön, und ich bin zufrieden, mit meinem Programm ganz gut durchgekommen zu sein. Vormittags haben wir wie wild recycelt, Zeitungen, Tetrapacks, Dosen, Plastikflaschen, und ein weiterer Reifen haben die Lagune verlassen und ein neues Leben als Grußkarten, Geldbörsen, Spielzeug oder Schaukel angefangen. Ich bin zufrieden.
Als letzten offiziellen Akt habe ich die Recyclingtonnen aufgestellt, mit einer Kette gegen Diebstahl gesichert, und wollte eigentlich, dass die Kinder das gelernte den Erwachsenen zeigen, aber die Erwachsenen wollten nicht, die haben beschäftigt getan und sich gewundert. Naja, die nächste Generation ist ja dann jetzt so weit.

Im Wald haben wir einen Spieletisch, ein großes Aniaschild und eine Jurte installiert, die ich aus gespendeten Stoffen auf Carmens Nähmaschine zusammengeschneidert hab. Das war ein Spaß, so mit Muskelkraft-Antrieb und so, und nur ganz wenig Zicken :)
Freitag sollte dann noch meine Abschieds-Übernachtung im BoNi sein, aber jetzt ist schon Schule, und von allen Kindern durfte nur Manuel über Nacht bleiben, die anderen hatten ganz furchtbar viel mit ihren Heften zu tun. Wesentlich übersichtlicher so, ruhig und lagerfeuerromantisch, mit halb verbrannten Kartoffeln a la Huancaina, ohne Mond, aber sternenklar.

Zwischendurch bin ich auf den Huarango zwischen den beiden Dörfern gestiegen, der, der so eine schöne Liegefläche auf einem waagrechten Ast hat, habe mir den Sonnernuntergang hinterm Cerro angesehen und resümiert. Ich bin zufrieden, das Glas ist halb voll. Also von dem, was ich lehren wollte, sehe ich das, was angekommen ist. Und was ich erst gelernt habe... die viele Geduld, die Fähigkeit, Erwartungen herunterzuschrauben und Ansprüche milieuspezifisch anzupassen, weniger streng mit mir selbst zu sein, mich von Rückschlägen zu erholen... sehr wertvoll. Meine Umweltbildungsarbeit war für mich spannende Probierwerkstatt, was funktioniert und was nicht, und ich bin Expertin im Ania-Konzept geworden, das mich immer noch fasziniert. Ich war live im Dorfleben zwischen Tieren und Staub dabei, im Baumwollfeld, im Schlamm und im Sand, ich hab gesehen wie sie mitten im Dorf Müll abladen oder verbrennen, Huarangos fällen und sich gegenseitig anzicken, wie Geld für medizinische Versorgung, manchmal auch für Strom fehlt, aber manchmal auch der Wille. Manches tragisch, aber wahr. Immer spannend.
Bei allem bin ich nicht gebrochen und habe weiter Batterien vom Boden aufgehoben, auch wenn es mir manchmal wie ein Tropfen auf den heißen Stein war, und fast immer war ich nett, auch wenn andere ungezogen waren, weil so gehts auch. Fast immer. Und, ich hab gelernt, dass mich die Chacra zufrieden macht. Ganz besonders im Kontrast zu Lima oder Ica, wo es ständig laut und miefig und grau ist. Ich hab gelernt, den Smalltalk auf dem Land zu sprechen, und ich hab das ziemlich gut ertragen, ja sogar mögen gelernt. Auch wenn ich froh bin, dass man mir schon früh gezeigt hat, mir auch über andere Dinge Gedanken zu machen als Maisaussaat, Nierenleiden und all die wilden Partnertausche im Dorf (pueblo pequenyo - infierno grande!, ach, über die Klatschkultur könnte man noch einen eigenen Blog schreiben :) Danke, Bildung.

Montag, 19. März 2012

Del silencio tipo San Pedro.

Ruhe nach dem Sturm. Die Baumwollernte ist vorbei, die Baumwollkinder sind wieder in ihren Heimatdörfern und auf einmal ist abends wieder die idyllische San-Pedro-Stille eingekehrt. Unterstützt natürlich wie immer durch den ein oder anderen Stromausfall.
Nach ein paar Tagen dann doch ein bisschen barbarischer Hitze kündigt sich dann auch schon langsam der Herbst an, und nachts wird es wieder kühl unter den Funkelsternen. Der Fratz ist mit Kerstin, der anderen Voluntärinnen-Katze, ganz offenbar auf Roadtrip in den Dünen unterwegs, und ich muss mich ersatzweise an meine Aniapuppe kuscheln.

In einer Woche ist das Weltwärtsprogramm um, also 6 Monate sind seit meiner Ankunft vergangen. Und zwar ganz schön fix. Ich könnte durchaus noch eine Weile hierbleiben. San Pedro ist schon ein sehr hübsches Fleckchen Erde, trotz manch ekliger Ecken (die Abwässergräben und die Mülllagune zum Beispiel). Aber man genießt den Schatten viel mehr, wenn überall die Sonne brennt, und überall laufen Tiere rum, und Vögel singen zu jeder Tages- und Nachtzeit, der Sand in den Dünen ist einfach unglaublich weich und warm und angenehm, und der Himmel überm Cerro hat jeden Abend eine andere megastarke Färbung. Und auch wenn vor Ort eigentlich niemand meine Arbeit ernstnimmt (wenn ich auf TiNiRunde oder in den BoNi gehe, fragen immer alle, ob ich spazierengehe) und die Kinder echt anstrengend sein können, macht sie unglaublich Spaß. Drum scheint es den anderen wahrscheinlich nicht als Arbeit. Und es ist ja auch wahr, dass ich echt viel am Spielen bin, bloß die Wichtigkeit dessen hat hier noch keiner erkannt. Überhaupt, Kindheit als wertvoll und wichtig zu betrachten, das ist hier noch nicht so richtig angekommen. Aber jetz war ja ich da, und ich glaub die Kinder haben ein bisschen eine Idee davon gekriegt, dass sie wertvoll und wichtig sind. Und die Erwachsenen haben gesehen, dass die coolen Gringos sich um die Bäume und die Blumen kümmern, keine Angst vor der Natur haben, Kinder gut behandeln und keine Tiere essen, und nicht alle halten das für die caprichos von reichen Spinnern.

Zu der Aufbruchs- und Katze-ist-weggelaufen-Melancholie kommt jetzt auch noch, dass es Gastpapa Gilbert ziemlich schlecht geht, die ökonomischen und medizinischen Möglichkeiten eingeschränkt und in der Gastfamilie alle traurig sind. Das ist schade und auch ziemlich ungerecht, weil Gilbert und Carmen so liebe und ehrliche Leute sind, die ganz ohne Bildung hart gearbeitet haben, und jetzt geht all das Ersparte für so eine blöde Krankheit drauf. Und jeder hat so seine Art, damit umzugehen. Ich verkaufe im Dorf Knüpfbändchen, aber lustiger ist noch, was die wiedergekehrte Profesora Margarita tut. Die hat nämlich extra die Kapelle saubergemacht, um San Pedrito, also den Dorfheiligen, gnädig zu stimmen. Und dann ist sie auf einen Stuhl geklettert, um seine Hand zu nehmen und für Gilbert zu bitten. Hat sie mir ganz stolz und sehr katholisch und ziemlich ausführlich genau beschrieben.
Die Kapelle ist übrigens das schönste Bauwerk im ganzen Dorf, so schön wohnt keiner außer San Pedrito. Ironischerweise hat der Bau der Kapelle vor zwei Jahren auch einen großen Teil von dem Geld verschlungen, das Gilbert jetzt fehlt...

Montag, 12. März 2012

De la vida cotidiana y la fiesta de Yunsa.





Es ist immer noch Sommer, in meinem Klassenzimmer kohabitiere ich friedlich mit Skorpionen und Grillen (und immer noch ziemlich vielen Mücken, die aber nicht mehr so schlimm pieksen), und alles ist staubig und sandig, woran ich mich aber schon laengst gewoehnt habe. Die Hitze geht nochmal in die vollen, und ab 11 Uhr morgens werden tatsaechlich alle Bewegungen so träge, dass man den eigenen Koerper kaum wiedererkennen mag. Abends aber kann man nach wie vor fein in den Dünen spielen, mit Manuel Ziegen hüten gehen oder mit den Kindern Samen pulen und Maiskornmosaike legen. Nachdem die Baumwollkinder nach und nach in ihre Doerfer zurueckgekehrt sind, die ansaessigen Kinder es aber noch nicht fuer noetig halten, in der Schule zu erscheinen, nutze ich die Zeit fuer ganz viel TiNi-Arbeit. So haben jetzt endlich auch Grecia und Cristofer, Luchito, Nicol und Jesus ihre TiNis bekommen, eigentlich Nachbarn von mir, nachdem die aber nicht in der Dorfschule studieren, wurden sie bisher vom Projekt uebersehen. Und weil sie nicht in der Dorfschule studieren, sondern woanders bessere Bildung und Aufmerksamkeit bekommen, zeigen sie sich auch weitaus empfaenglicher fuer das Projekt als andere Kinder.

Natürlich auch ein paar Rückschläge, wie immer, damit muss man ja auch umgehen lernen. Leslis und Lidias Mama hat erneut ihre TiNi dem Erdboden gleichgemacht, um auf dem Platz ein Fest zu machen, dass dann doch nie stattfand. Marcos und Juan lassen ihre Gaerten voellig verwahrlosen. Und Milenia, obwohl sie giesst und sich kuemmert, kriegt in der Erde, die sie hat, einfach keinen Samen zum keimen. An manchen Stellen sind die Begebenheiten vielleicht einfach noch nicht so weit, dass das Projekt funktionieren kann...

Im BoNi leben noch 11 Bäumchen, von ursprünglich 20, aber die verblieben sind grün und gesund. Ich denke mir jedes Mal neue Tricks aus, das Wasser in die Dünen zu bekommen, nachdem alle umliegenden Brunnen inzwischen trocken sind. Per Anhalter, Esel, oder zum Wassertraeger umfunktioniertes Kind bzw. Kati war schon alles dabei. Letzte Woche war ich so verwegen, mit den Kindern im Cerro zu übernachten. Das ist schon recht aufregend, wenn eine Horde von 10 Wuselkindern mitten in der Nacht dann ueberall Lagerfeuer anzuendet, ein Teil stundenlang in den Dünen verschwindet und ein anderer Teil wild ueber die Schlaflager hüpft. Nicht zu vergessen die ca. 7 Hunde, die uns begleiten und mitten in der Nacht unvermittelt zu jaulen und zu kämpfen anfangen. Harte Probe für meine Gelassenheit.

Dann am vergangenen Wochenende das Yunsa-Fest, Sinnbild fuer alles, wogegen ich hier anzukämpfen versuche: Ein Baum wird ermordet, auf dem Dorfplatz mit hässlichen Plastikobjekten behängt und wieder eingegraben. Dann wird abends drum herumgetanzt und nach und nach werden verschiedene Leute ausgewaehlt, um mit dem Beil auf den Stamm einzuhauen. Dazu gibt es Cachina, angegorenen Traubensaft, und man bewirft sich mit buntem Talk. Wer den letzten Schlag tut, der den Baum faellt, muss im naechsten Jahr das Fest ausrichten. Dann stürzen sich alle wie vom Affen gebissen auf den armen gefallenen Baum, um ihm die haesslichen Plastikobjekte zu entreissen. Und schliesslich wird noch bei viel zu lauter Musik bis in die Morgenstunden ziemlich lahm Cumbia getanzt.
Ich hab das eine Weile mitgemacht, weil das Rundtanzen auch ganz lustig war, aber dann demonstrativ das Faellen abgelehnt und lautstark mein Mitleid mit dem Baum kundgetan. Und am morgen danach hab ich mit Chepi, einem grossen Baumfreund, eine Demo organsiert, fuer Yunsa 2013 - pflanzen statt fällen.