Mittwoch, 27. Juni 2012

La experiencia cafetera.

Popayan ist klein, kolonial, sauber und als ich ankomme, sogar autofrei. Die Kolumbianier sind naemlich tatsaechlich Radfahrer und geniessen es, gelegentlich Strassen zu sperren, um die Busfahrer zu aergern und dem Radln zu froenen. Ich freue mich zuerst ueber Muelltrennung und Recyclingklopapier im Hostel (in Kolumbien sind sie da verhaeltnismaessig weit - spaeter soll ich sogar noch wiederverwendbare Gepaeckscheine kennenlernen!), schlendere eine Weile durch die weissgetuenchten Gassen und lege mich einbisschen bei der ueberdimensionierten roten Backsteinbruecke ins Gras, bis der Regen einsetzt (das ist im Caucatal nachmittags so). Abends treffe ich Alicia, die mich im Bus von Cali kennengelernt und gleich in ihr Haus eingeladen hat, und wir verbringen einen sehr lieben Abend, zusammen mit ihrer Tochter Tatjana und einer leckeren Trucha.

Leider laesst mein Plan nicht zu, laenger zu verweilen, die Zona cafetera ruft mich. Salento ist ca. 3 Kilometer lang und 2 Kilometer breit, und wenn pittoresk einen SUperlativ hat, dann ist dieses Staedtchen das pittoreskeste seiner Art. Jedes Haus, ganz im Antioquischen Stil, hat Tueren und Balkone in einer anderen Farbe, an der Plaza Mayor warten lustige alte Jeeps, die "Willy" heissen, und die Gehwege haben Blumenmuster eingeritzt. Aussenrum ist alles satt gruenes Tal mit idyllisch vor sich hinbrausendem Fluss. Ich befreunde mich mit zwei Steiermarkern und bewandere mich mit ihnen das schoene Cocora-Tal, beruehmt fuer die langen Wachspalmen, die einzeln aus den gruenen Wiesen spriessen, und das bis 60 Meter lang. Der Weg geht zuerst ueber besagte Weiden und fuehrt dann in dichten Nebelwald, in dem mehrere lustig wackelnde Bruecken ueber den Quindia zu ueberqueren sind. Ueberlebt man dies unbeschadet, darf man im kleinen privaten Naturreservat Acaime die vielen Kolibris bestaunen und richtig gute Schokolade trinken. Abends bin ich (wohl durch die Jugend meiner beiden Begleiter inspiriert) immer noch fit genug, mit den Jungs Tejo spielen zu gehen - mit Bleischeiben auf Pulverdreiecke werfen, wenns explodiert gibts Punkte. Das ist ein bisschen schwierig, und nach einer Weile probieren wir lieber noch Sapo - mit Muenzen auf Metallene Froesche werfen, wenns explodiert wird Aguardiente getrunken. Das koennen wir besser, und der Abend wird noch sehr lustig. Am naechsten Tag schleppen wir uns folgenschwer und entsprechend langsam zur Kaffeefarm des Sonnenuntergangs (El Ocaso), und begehen unterwegs noch den schweren Fehler, dem Aguardiente ein grosses Glas saure Ananas-Chicha hinterherzukippen. Aber, wir kommen an, und ein lustiger kleiner Mann mit Hut und Schnauzer, ganz wie in der Werbung, erklaert uns den Kaffee. Und schliesslich fuert mich mein Weg noch zu den magisch schoenen Santa-Rita-Wasserfaellen, diesmal zu Pferde. Den Muskelkater ist es wert, denn der Weg ist herrlich, ueber Stoecke und Steine und Fluesse und Wiesen und durch Tunnels an Tausenden von Schmetterlingen vorbei.

Meine letzte Station ist die Oekooekofince von Pedro und seiner Familie, 2 Stunden zu Fuss von Salento, versteckt am Ende der Welt und nur durch Mundpropaganda zu finden. Es ist ein wunderbarer Ort, und ich habe selten so ruhige und zufriedene Menschen wie Pedro, Mar, Nita und Sarah getroffen. Pedro hat konventionelle Landwirtschaft studiert, weil seine Eltern dachten, das sei gut fuer ihn und er wuerde damit ein ganz grosser Mann werden. Aber er wollte nicht hoeren, dass man ueber viele Kilometer die gleiche Pflanze anbaut und immer die neuesten Umweltgifte kaufen muss - und lebt heute in seinem selbstgebauten Haus inmitten eines selbsternannten Naturreservats, das mit seiner Hilfe von Rinderweide wieder zu Urwald wird. Dazwischen wachsen sehr vereinzelt ein paar Kaffeepflanzen, von denen der leckere Oekooekokaffee verkauft wird (und es ist tatsaechlich moeglich, den ganzen Prozess am gleichen Ort durchzufueren - kein einziger Zwischenhaendler!). Ausserdem gibt es ein paar Bananen, Avokadobaeume, diverses Obst, ein paar Getreideversuche und zwei Rasenmaeherziegen, die das invasive Monsantogras fressen sollen, einen wuscheligen Hund und ein kleines scheues Pferd. Das alles macht offenbar nicht allzu viel Arbeit, denn es ist sehr viel Zeit, vom offenen Wohnzimmer aus Berge und Voegel zu bestaunen, in der vielfaeltigen Buechersammlung zu schmoekern (es gibt Momo in 3 Sprachen!), seltene Baeume zu pflanzen, Knuepftechniken auszutauschen, mir den Kaffeeprozess zu erklaeren und vom Leben zu schwaermen. Abends gibt es spektakulaeren Sonnenuntergang statt Fernseher, und danach ist es dunkel - fuer 10 Stunden. Dabei geht alles so ruhig und harmonisch zu, dass man es kaum fuer moeglich haelt. Irgendwann, erzaehlt Pedro, haben sie eben das "immer mehr!-Prinzip hinter sich gelassen, und laben jetyt die "genug"-Idee. Ich merke, wie ich staendig mit einem besonnenen, zufriedenen Laecheln im Gesicht herumlaufe. Das ist so wie jeden Tag Sonntag.

Es ist danach ein bisschen seltsam, zurueck im elektrifizierten, motorisierten Leben zu sein. Allerdings Bogotá ist grrross, aber irgendwie sympathisch, Da gibt es Boulevards mit Wasserspielen und Palmen, bunte, schoene Graffitis statt grauer Mauern, einen winzigen uralten Stadtkern der auch so aussieht, eine Seilbahn auf den Cerro Monserrate, von wo man die verrueckte Ausdehnung der Stadt, aber auch das satte, in Frieden gelassene Gruen dahinter begutachten kann, jede Menge Buchlaeden und nette kleine Quinoa-Restaurants. Couchsurfer Ivan, Bogotariano, leistet mir den ganzen Tag Gesellschaft, zeigt mir die immense, moderne Privatuni, die voll mit Macs steht und auf dem Dach tolle Aussicht hat, und nachmittzusammen suchen wir die bogotarianische Kultur, aber die hat leider Dienstags zu. Ich bringe ihm dafuer meine deutschen Lieblingswoerter bei, und wir trinken einen letzten Tinto (das ist hir Kaffee, nicht Wein, was mich erst stutzen laesst) ueber den Daechern der Stadt. Cuidate, Kolumbien, bis zum naechsten Mal.





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